Merlin

Merlin ist ein Barde (Dichter), Seher und Zauberer aus dem Artuszyklus.

Weder Mensch noch Gottheit, als Prophet und Meister des universalen Wissens erscheint Merlin in der Literatur ab dem 12. Jahrhundert, zunächst in der Prophetia Merlini von Geoffroy de Monmouth. Das Werk enthält eine Reihe von Prophezeiungen, die Merlin zugeschrieben werden. Die Prophetiae gingen Geoffreys umfangreicher Historia Regum Britanniæ von ca. 1136 voraus und wurden größtenteils in Buch VII aufgenommen. Die Persönlichkeit Merlins  wandelt sich im Laufe der Zeit und der schriftlichen Überlieferungen: Zuerst Druide, bald Zauberer, Wahrsager, aber auch enger Berater von König Artus. Es ist aber nicht bewiesen, dass Merlin wirklich existiert hat. Der britische Geistliche, Gelehrte und Geschichtsschreiber Geoffrey von Monmouth (* um 1100; † um 1154) identifiziert Merlinus mit Ambrosius Aurelianus, der bei dem walisischen Mönch und Gelehrten Nennius (9. Jh.) in seinem Werk Historia Britonum aus dem 8. bis 9. Jahrhundert erstmals literarisch erwähnt wird.  Er beschreibt, wie Ambrosius als „Kind ohne Vater“ vor den romano-britischen Warlord Vortigern (5. Jh.) gebracht wird, um als Menschenopfer den sicheren Bau seiner Burg zu gewährleisten. Hierbei allerdings beeindruckt der Knabe die Anwesenden so durch eine Prophezeiung über den Boden, auf den die Burg gebaut werden soll, dass er nicht geopfert wird. Er prophezeit einen Kampf zwischen einem weißen und einem roten Drachen, der unter der Erde stattfindet, sodass die Burg nicht gebaut werden könne. Der Rote Drache bedeutet die britische Rasse, der Weiße Drache die Sachsen . Es handelt sich hierbei um eine Metapher über den bevorstehenden Krieg zwischen Britanniern und Sachsen. Ambrosius Aurelianus wird bei Geoffrey of Monmouth dann zu Merlinus Ambrosius.

Monmouth übernimmt um 1135 in seiner Historia Regum Britanniae Merlin als vaterlosen Knaben und die Sage um Vortigerns Burg, bezeichnet ihn aber als Sohn des Teufels und einer Jungfrau bzw. einer Nonne königlicher Abstammung. In der um 1150 entstandenen Vita Merlini wird die Figur weiter ausgestaltet und dabei erstmals Teil der Artussage. Der französische Dichter Robert de Boron baut 1210 in seinem Versroman Histoire de Merlin die Erzählung aus. Er macht Merlin zu Artus‘ Erzieher und führt sowohl die Tafelrunde als auch die Suche nach dem Gral auf Merlin zurück. Um 1225 entstand der Sagenzyklus Prose Lancelot, in der die Rolle Merlins als Berater des Artus und dessen Vater Uther Pendragon weiter ausgebaut wird. Im ersten Teil der Prose Lancelot, der Estoire del Saint Grail, wird der prophetische Merlin noch als dämonischer Charakter gezeichnet, während er in den späteren Teilen ab der Estoire de Merlin vor allem in Verbindung mit der Gralssuche erscheint. Auch hier geht sowohl die Tafelrunde als auch die Gralssuche auf ihn zurück, ebenfalls ist die Regelung für Uthers Nachfolge enthalten, nach der derjenige der neue König wird, der das Schwert Excalibur aus dem Stein ziehen kann.

Eine der ältesten Überlieferungen in walisischer Sprache, das Gedicht „Ymddiddan Myrddin a Thaliesin“ („Gespräch zwischen Merlin und Taliesin“), das möglicherweise aus dem 11. Jahrhundert stammt,  ist im Manuskript Llyfr Du Caerfyrddin, aus dem mittleren 13. Jahrhundert enthalten. Nach dem cambro-normannischen Schriftsteller, Diplomat, Kirchenpolitiker, Historiograf, Volkskundler und Dichter Giraldus Cambrensis (* 1146 ; † 1223) ist Merlinus Celidonius ein Seher, der in der Schlacht von Arfderydd den Verstand verloren haben soll. Er kämpfte für den bretonischen König Gwenddoleu fab Ceidiaw gegen den historischen Fürsten von Alt Clut (Schottland)  Rhydderch Hael, vor dem er schließlich nach Schottland floh. Dort soll er in der Einsamkeit der Wälder die Gabe der Weissagung erhalten haben.

Der walisische Altertumsforscher, Dichter, Autor und Handschriftensammler Iolo Morganwg (Edward Williams) nennt „Die drei besten Barden der Insel Britannien“: Merddin Emrys (Ambrosius), Merddin mab Morfryn („Merddin, Sohn des Morvyn“) und Thaliesin benn Beirdd („Taliesin, Haupt der Barden“). Der französische Sprach- und Altertumswissenschaftler Hersart de la Villemarqué veröffentlichte 1839 mit Barzaz-Breiz: Chants populaires de la Bretagne eine Sammlung bretonischer Volkslieder. Darin finden sich vier Texte über Merlin (Marzin), darunter die Ballade Marzin-Barz (Merlin der Barde). Die Ballade soll authentische Elemente enthalten.

Im 19. Jahrhundert wollen Wissenschaftler Merlins Grab im Wald von Brocéliande in der Bretagne aufgespürt haben. Der Wald liegt  angeblich westlich von Rennes in der Hochbretagne, wo er als Wald von Paimpont verzeichnet ist. Die Quelle von Barenton ist einer der Orte im Wald, um die sich die meisten Legenden ranken. Die Quelle befindet sich unweit der Ortschaft Folle Pensée. Ihr werden heilende Eigenschaften zugeschrieben.  Hier soll der Zauberer Merlin der Sage nach der Fee Nimue (Viviane) begegnet sein. Nimue ist die Hüterin des Sees, aus welchem Artus das Schwert Excalibur erhielt. Sie gilt als Ziehmutter Lancelots und auch als Lehrerin oder Geliebte des Zauberers Merlin.