Evolution
Die Evolutionstheorie beschreibt die Entstehung und Veränderung biologischer Einheiten, speziell der Arten, als Ergebnis einer organismischen Evolution, d. h. eines Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der mit der Entstehung des Lebens einsetzte und weiterhin andauert.
Nach der Hypothese des biologischen Wettrüstens, war es das Auftreten der ersten komplexen Vielzeller selbst, das die Entwicklung in Gang brachte. Die ersten Vielzeller hätten demnach nur sehr geringe adaptive Vorteile gehabt. Waren aber in einer langsamen Entwicklung daraus erst einmal bewegliche Tiere, möglicherweise mit räuberischer Ernährung, entstanden, stellten sie einen tiefgreifenden Selektionsfaktor dar. Schalen und Skelette könnten dann als Schutzmechanismus gegen Prädation entstanden sein. Die Entstehung von Tieren mit grabender und wühlender Lebensweise war ebenfalls ein Schlüsselereignis. Sie zerstörte vermutlich die stabilen mikrobiellen Matten, die vorher den Ozeanboden bedeckten, und schuf dort vollkommen neue ökologische Bedingungen. Ein Schlüsselelement der Evolution waren auch sogenannte abiotische Bedingungen. Einige Hypothesen gehen davon aus, dass das Entstehen höherer Vielzeller zu einem früheren Zeitpunkt unmöglich gewesen wäre, weil die Lebensbedingungen in den Ozeanen ihre frühere Entwicklung nicht zuließ. Demnach hätten sich die präkambrischen Meere in irgendeinem Schlüsselfaktor von den heutigen Meeren unterschieden. Die verbreitetste Hypothese nimmt an, dass der Sauerstoffgehalt im Meer erst zu diesem Zeitpunkt ein für höheres Leben ausreichendes Niveau erreichte. Neuere Hypothesen weisen auf die mögliche Bedeutung zu hoher Temperaturen oder Salzgehalte im Ozean hin, beides Faktoren, die auch den Sauerstoffgehalt entscheidend beeinflussen können. Schließlich wird auch über einen Einfluss des Calciumgehalts im Meerwasser nachgedacht. Dieser Hypothese zufolge wären die Schalen und Skelette zunächst so etwas wie Abfallprodukte gewesen, um überschüssiges Calcium auszuscheiden. Eine weitere aus der geologischen Erforschung von Gesteinen aus dem ausgehenden Präkambrium bekannte Tatsache ist, dass damals sehr starke Eiszeiten auftraten. Viele Forscher interpretieren die Befunde so, dass so gut wie der gesamte Erdball, einschließlich der Meere, eisbedeckt war. Als „Schneeball Erde“ werden die Sturtische Vereisung und die darauf folgende Marinoische Eiszeit bezeichnet. Man nimmt an, dass das Auseinanderbrechen des Superkontinents Rodinia viel Flutbasalt freisetzte, dessen Verwitterung der Atmosphäre sehr viel Kohlendioxid entzog. Der dadurch reduzierte Treibhauseffekt führte zur Sturtischen Vereisung.
Judentum, Christentum und Islam gehen von einem göttlichen Akt der Schöpfung aus und vertreten das Konzept einer Artkonstanz. Erst der französische Entwicklungsbiologe Jean-Baptiste de Lamarck vertrat die Meinung, dass Arten nicht unveränderlich sein und schlug 1809 einen Artenwandel vor. Er ging von einer Vererbung erworbener Merkmale aus.

Auch Charles Darwin ging 50 Jahre später (1859) davon aus, dass erworbene Eigenschaften weiter gegeben werden können. Er entwickelte eine neue Evolutionstheorie, die auf Variation und natürlicher Selektion beruht. Im Jahr 1858 verfasste der Zoologe Alfred Russel Wallace seine Überlegungen zur heute bekannten natürlichen Selektion in dem Tenate-Manuskript. Wallace kam darin zu fast genau den selben Schlüssen wie Darwin. Dieses Manuskript schickte Wallace an Charles Darwin. Das Manuskript bestätigte Darwin und bewegte ihn zur Veröffentlichung seiner Theorie. Sowohl Wallace als auch Darwin nahmen an, dass natürliche Mechanismen die biologische Vielfält steuern würden und nicht Gott. Den genauen Mechanismus, wie Merkmale von Generation zu Generation weitergegeben werden und warum sich Variationen dieser Merkmale nicht durch Vererbung vermischten, konnten sie jedoch nicht erklären.
Erst Gregor Mendel entdeckte die Vererbungsgrundlagen. Die ursprünglich zwischen dem mendelschen und dem darwinschen Konzept der Vererbung bestehenden unterschiedlichen Berechnungen und Voraussagen hinsichtlich der Geschwindigkeit der Evolution, wurden erst ab 1930 durch die Forschungsarbeit des britischen Genetikers Ronald Fisher zusammengeführt. Das Ergebnis war eine Kombination der Darwin-Wallace’schen natürlichen Selektion mit den mendelschen Vererbungsregeln, die als Synthetische Theorie der Evolution bekannt wurde. Sie erklärt, wie die Artentstehung und der Artwandel von Individuen der gleichen Art im gleichen Lebensraum, also innerhalb einer Population passiert.
Die Synthetische Evolutionstheorie wurde kontinuierlich durch moderne Erkenntnisse der Genetik, Molekularbiologie, Ökologie und Paläontologie kontinuierlich vervollständigt. Die Entschlüsselung der molekularen Struktur der DNA im Jahr 1953, ihre Funktionsweise und somit die physische Basis der Vererbung, brachte endlich Licht in den für die Evolution wesentlichen Vorgang der Mutation. Evolution wird nach der synthetischen Evolutionstheorie durch sechs Evolutionsfaktoren bestimmt:
- Selektion
- Mutation
- Gendrift
- Migration
- Isolation
- Rekombination
Es gibt aber mehrere Lebewesen, bei denen die Evolution offensichtlich geschlafen hat. Z. B. Pfeilschwanzkrebse sehen heute noch so aus, wie die 100 Millionen Jahre alten Fossilien ihrer Vorfahren. Nachdem die Wissenschaft bisher davon ausgegangen war dass der Quastenflosser ausgestorben war, wurden frisch gefangene Exemplare entdeckt, die Fischern vor Madagaskar ins Netz gegangen waren. Auch Vertreter der Gattung Nautilus (Perlboote) haben die Jahrmillionen nahezu unverändert überdauert. Das Modell „Hai“ ist von seiner Konstruktion her offenbar sogar so genial, dass sich das Grunddesign seit Millionen von Jahren kaum verändert hat. Ebenso die Krokodile. Die Panzerechsen gab es schon vor vielen hundert Millionen Jahren. Sie haben sich seitdem nicht nennenswert verändert. Auch Seeigel gehören zu den absoluten Oldtimern der Tierwelt. Ihre Vorfahren sahen bereits so aus wie heutige Arten. Die wohl ältesten Wirbeltiere überhaupt, die Schildkröten, gab es schon vor 200 Millionen Jahren. Damit sind Schildkröten sogar älter als die Dinosaurier.

Trotz der wissenschaftlich schlüssigen Beweise für die biologische Evolution gibt es auch ablehnende Haltungen und Kritik. Z. B. vertreten die Kreationisten die religiöse Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis geschildert wird. So auch der christliche Fundamentalismus, welcher sich ausdrücklich auf die Bibel als Fundament (Bibeltreue) und das wörtlich inspirierte Wort Gottes beruft. Vertreter dieser Denkrichtung sind u . a. die Mormonen oder die Zeugen Jehovas. Die großen christlichen Kirchen lehnen den Kreationismus ab. Die Römisch-katholische Kirche sucht hier einen Kompromiss. So erklärte Papst Johannes Paul II. am 22. Oktober 1996, dass die Evolutionstheorie mit dem christlichen Glauben vereinbar sei. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland distanziert sich vom Kreationismus.
Kritik an der klassischen Evolutionstheorie üben primär, Vertreter eines Konzepts der evolutiven Wandlung der Körperstruktur und -form von Organismen gemäß hydraulisch-energetischen Prinzipien. Dieses Konzept nennt sich Frankfurter Evolutionstheorie (auch Kritische Evolutionstheorie) und ist keine andere vollständige Evolutionstheorie, sondern ein allerdings stark modifiziertes Erklärungskonzept für einen spezifischen Aspekt der Evolution, nämlich die Abwandlung der Körperformen durch innere Prinzipien der Organismen. Nach der Frankfurter Evolutionstheorie sollen Organismen nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit ihrer Körperkonstruktion in die erreichbaren Umwelten eindringen und diese, etwa durch ihre Stoffwechselaktivitäten, maßgeblich mitgestalteten. Es sei also nicht die Umwelt, die die Körperkonstruktion forme, sondern die Körperkonstruktion eines Organismus bestimme, welche Umwelten er nutzen kann. Kurz als „Evolution ohne Anpassung“ beschrieben.Zusammengefasst lauten die Theorien der Frankfurter Evolutionstheorie:
- Organismen sind hydraulische, mechanisch kohärente, energiewandelnde Konstruktionen, die sich nicht an ihre Umwelten anpassen, sondern Lebensräume nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit ihrer Körperkonstruktion selbst erschließen.
- Organismen sind autonome Subjekte der Evolution, d. h. die jeweils bestehende Körperkonstruktion bestimmt das Ergebnis und die Richtung der Evolution maßgeblich mit.
- Über Fortbestehen oder Untergang eines Lebewesens entscheidet in erster Linie die Funktionstüchtigkeit der Körperkonstruktion und eine ökonomische Energiebilanz hinsichtlich Formerhaltung, (Fort-)Bewegung und Fortpflanzung Der Einfluss der Umwelt ist sekundär und greift erst dann, wenn sich Lebewesen in ihren Lebensräumen behaupten müssen.
- Evolution ist irreversibel, d. h. einmal veränderte (differenzierte, abgebaute oder umgebaute) Strukturen können nicht mehr „zurückentwickelt“ werden, weil strukturelle Veränderungen einem energetischen Gefälle geschuldet sind.
Eine entscheidende Schwäche der Frankfurter Evolutionstheorie, ist, dass die Erkenntnisse moderner Evolutionsbiologie und Entwicklungsbiologie zu wenig berücksichtigt werden. Das Konzept wird daher auch weitestgehend abgelehnt.
Zwei Ereignisse sind in der Evolutionstheorie von besonderer Bedeutung.
Als kambrische Artenexplosion wird das fast gleichzeitige erstmalige Vorkommen von Vertretern fast aller heutigen Tierstämme im geologisch winzigen Zeitraum von 5 bis 10 Millionen Jahren zu Beginn des Kambriums vor etwa 541 Millionen Jahren bezeichnet. Das plötzliche, parallele Auftreten so vieler Tiere mit ganz unterschiedlichen Körperbauplänen in einer geologisch kurzen Epoche stellt für die Evolutionsforschung ein wichtiges Problem dar. Frühere Versuche, sie ausschließlich durch den Zufall der fossilen Überlieferung zu erklären, sind heute nicht mehr glaubwürdig, weil inzwischen weltweit zahlreiche Fossillagerstätten neu entdeckt und ausgewertet worden sind. Die kambrische Explosion gilt heute deshalb übereinstimmend als ein reales Phänomen.
Als Flaschenhalseffekt wird in der Populationsgenetik eine Form von Gendrift bezeichnet, bei der eine Populationsgröße durch ein zufälliges Ereignis stark vermindert und dadurch die genetische Variabilität verringert wird. Im typischen Fall führt eine Naturkatastrophe zu einer Reduzierung einer Population, sodass in Folge die überlebenden Individuen nicht mehr genetisch repräsentativ für die Ausgangspopulation sind. Entsprechend gehen Gene aus dem ursprünglichen Genpool verloren; die genetische Diversität nimmt ab. Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben die Populationen unserer Vorfahren zahlreiche Phasen der Ausbreitung und Schrumpfung, sogenannte Flaschenhälse durchlebt. Eine wissenschaftliche Studie der University of California in Berkeley zeigt wie stark solche Flaschenhälse die Menschheit geprägt haben. Die Wissenschaftler verglichen die DNA von Menschen aus 300 heutigen Populationen sowie Proben alter DNA aus 160 früheren menschlichen Bevölkerungsgruppen und Kulturen. Insgesamt umfasste die Analyse 4.000 DNA-Sequenzen von mehr als 4.000 Menschen. Mehr als die Hälfte der 460 untersuchten Populationen hat in den letzten 10.000 Jahren mindestens einen starken genetischen Flaschenhals durchlebt.“ Bei diesen Ereignissen schrumpften die ursprünglichen Gruppengrößen oft bis auf wenige tausend oder sogar nur wenige hundert verbleibende Individuen zusammen. Einige Menschengruppen entgingen bei diesen Einschnitten nur knapp dem Aussterben.
Vor etwa 900.000 Jahren könnte die Population der Vorfahren des heutigen Menschen auf nur etwa 1280 Individuen eingebrochen sein und blieb dann über 100.000 Jahre lang so bedrohlich klein. Von dem Flaschenhals-Effekt waren wohl die gemeinsamen Vorfahren des modernen Menschen, des Neandertalers und des Denisova-Menschen betroffen. Konkret könnte es sich um Homininen gehandelt haben, die dem Homo heidelbergensis zuzuordnen sind. Dieser extrem dünne Flaschenhals im Pleistozän spiegelt sich in den Ergebnissen einer neuen Genomanalyse heutiger Menschen wider. Die Erkenntnisse basieren auf einer neuentwickelten Untersuchungsmethode namens FitCoal (Fast Infinitesimal Time Coalescent Process). Dabei werden in spezieller Weise Muster in den genetischen Unterschieden zwischen heutigen menschlichen Bevölkerungsgruppen genutzt. Durch Modellberechnungen sind durch das Verfahren dann Rückschlüsse auf einstige Populationsgrößen und deren Veränderungen möglich.
Die kosmische Evolution
Astronomen verstehen noch nicht, wie die Galaxien entstanden sind, doch alle vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass der Großteil aller Galaxien in den ersten Milliarden Jahren nach dem Urknall entstand. Die kosmische Evolution begann mit dem Urknall und bereitete die Voraussetzungen für das irdische Leben. Seitdem hat die Evolution des Lebens von den ersten Einzellern bis hin zum Menschen geführt. Ausgehend von dichten interstellaren Wolken, über Gravitationskollaps bis zur Kondensation zu dichten Sternen und extremen Objekten, wie Neutronensternen oder Schwarzen Löchern, sind die Transformationsprozesse der kosmischen Materie von eminenter Bedeutung. Der Motor dieser Transformation ist die Sternentstehung in Galaxien, ohne die weder Planeten noch die Entstehung von Leben möglich ist, vor allem auch weil alle chemischen Elemente, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind, in den Sternen erst durch Kernfusion erzeugt werden müssen. Sternentstehung ist der Schlüssel zum Galaxienwachstum. In Gas- und Staubwolken löst die Schwerkraft eine Kette von Ereignissen aus: Gaswolken kollabieren unter der Schwerkraft, Kernfusion lässt neue Sterne entstehen und ss bilden sich massereiche Sternhaufen. Das Universum ist von zwei mysteriösen Elementen erfüllt, die sein Wachstum vorantreiben. Dunkle Materie und dunkle Energie sind die größten Rätsel um die Funktionsweise des Universums. Dunkle Materie macht etwa 27 % der Masse und Energie des Universums aus. Dunkle Energie macht etwa 68 % der Gesamtenergie aus. Dunkle Materie ist unsichtbar, ihre Existenz wird aber durch mehrere wichtige Beobachtungen belegt: durch die Gravitationslinseneffekte in Galaxienhaufen, die Rotationskurven von Galaxien und die Fluktuationen der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung. Dunkle Energie wiederum ist der Schlüssel zum Wachstum des Universums. Dank dieser rätselhaften Kraft wächst das Universum schneller und expandiert weiter. Die stellare Nukleosynthese ist der Schlüssel zur Entstehung von Elementen. Sterne wandeln durch Kernfusion leichtere Elemente in schwerere um und erzeugen dabei enorme Energiemengen. Durch diesen Prozess entstehen in den Kernen der Sterne Elemente von Kohlenstoff bis Eisen: Wasserstofffusion erzeugt Helium, Heliumfusion erzeugt Kohlenstoff und Sauerstoff und schwerere Elemente entstehen durch zunehmend komplexere Fusionsreaktionen. Die Entstehung von Elementen ist für das Leben im Universum von entscheidender Bedeutung. Nur 4.6 % der Masse des Universums besteht aus atomarer Materie. Das Lambda-CDM-Modell ist das am weitesten verbreitete Modell zum Verständnis der kosmischen Evolution. Es liefert wichtige Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Universums: normale Materie: 5 % der Gesamtenergie, dunkle Materie: 27 % der Gesamtenergie und dunkle Energie: 68 % der Gesamtenergie. Das Universum birgt noch immer viele Geheimnisse, die die Forschung herausfordern. Wissenschaftler stehen z. B. vor der Herausforderung: die fehlende baryonische Materie zu finden, denn gewöhnliche Materie macht nur etwa 5% des Masse-Energie-Inhalts des Universums aus. Auch der kosmische Horizont stellt eine große Herausforderung dar. Das Universum ist etwa 13.8 Milliarden Jahre alt. Aufgrund der Lichtgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit, mit der sich das Universum ausdehnt, ist nur ein kleiner Teil davon sichtbar. Es gibt auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, was mit dem Universum geschehen wird: Big Freeze: Allmähliche Abkühlung und Ausdehnung, Big Rip: Katastrophale Ausbreitung, die alle Strukturen zerstört oder Big Crunch: Möglicher Gravitationskollaps. Die Mischung aus dunkler Materie, dunkler Energie und baryonischer Materie ist der Schlüssel zu diesen möglichen Zukunftsaussichten.
Der Schlüssel dazu, wie Gene z. B. die Entwicklung eines Menschen aus einer befruchteten Eizelle zur ausgewachsenen Person steuern, liegt in der Abfolge der vier Genbausteine (den Basen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin) in der Erbsubstanz (DNA, Desoxyribonukleinsäure). Die Entstehung neuer Arten ist aber teilweise noch immer ein Rätsel. Welche evolutionären Prozesse führen dazu, dass sich aus einer Tierart heraus eine neue Spezies bildet? Bekanntermaßen werden Gene von Eltern an die Nachkommen weitergegeben, also von Generation zu Generation (vertikaler Gentransfer). Neuere Forschungen zeigen jedoch auch Fälle von Gentransfer zwischen Individuen einer Generation (horizontaler Gentransfer), und dies sogar auch zwischen sehr verschiedenen Organismen. Ebenso wurden sich ausbreitende „springende Gene“ beobachtet . Das sind bewegliche DNA-Abschnitte, die innerhalb des Erbguts wandern können bzw. einmal konnten. So kommt z. B. ein Gen einer Pflanze auch in dem Darmbakterium Escherichia coli vor. Wie ist das Gen aus einem Chromosom der Pflanze in das Chromosom des Bakteriums gelangt? Beide Organismen haben keine gemeinsamen Vorfahren in der Evolution, von denen sie das Gen geerbt haben könnten. Also muß hier eine Genwanderung stattgefunden haben. Solche Transposons kommen, wie man inzwischen weiß, bei allen Arten von Lebewesen vor, auch beim Menschen. Bestimmte Bakterien verfügen z. B. über die erstaunliche Fähigkeit, Gene in die Zellen höherer Organismen einzuschleusen, z. B. Agrobacterium tumefaciens. Wenn ein solches Bakterium eine Pflanze infiziert, veranlaßt es die Bildung eines DNA-Kanals, durch den Erbmaterial der Bakterien transportiert wird. Dieses gelangt schließlich in den Kern der Pflanzenzelle. Die bakteriellen Gene bringen nun die Pflanzenzelle dazu, sich häufiger zu teilen (Tumorbildung) und bestimmte Nährstoffe zu produzieren und abzugeben. Von diesen leben die Bakterien als Schmarotzer. Agrobakterien können auf diese Weise in zahlreichen, sehr unterschiedlichen Pflanzenarten parasitieren. Dies ist ein natürlichen Fall von aktivem horizontalen Gentransfer aus Bakterien in höhere Organismen. Dieser Prozeß wird seit einigen Jahren in der Gentechnik genutzt. Die DNA der Agrobakterien kann gentechnisch verändert werden, um gezielt bestimmte Gene in den Zellkern von Pflanzen einzubringen. Viele der gentechnisch erzeugten neuen Sorten von Kulturpflanzen (z.B. bestimmte Sorten von Raps, Kartoffeln, Mais, Nelken) sind so hergestellt worden.
Auch Gene, die nicht springen können und die offenbar auch nicht Teil eines organisierten Gentransferprozesses wie bei Agrobakterien sind, wechseln dennoch gelegentlich den Organismus. Gelangt ein fremdes Gen in eine Zelle, kann es entweder als Zusatz die Zahl der Gene erhöhen (Addition) oder vorhandene Gene ersetzen (Substitution). Für die genetische Weiterentwicklung des Organismus können beide Möglichkeiten förderlich sein: Er erhält Erbanlagen, die ihn vielleicht mit neuen Eigenschaften ausstatten. Die Übertragungswege sind bisher in keinem Fall bekannt. Allerdings lassen einige Fälle vermuten, daß bei engem Zusammenleben der Organismen gelegentlich ein horizontaler Gentransfer eintritt, z.B. zwischen Bakterien und Pilzen im Pansen von Rindern oder zwischen Bakterien und Pflanzenzellen, wenn die Bakterien im Innern von Pflanzen als Symbionten leben. Die horizontale Wanderung von Erbmaterial, zusätzlich zur klassischen elterlichen Vererbung, ist offenbar ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Das erstaunliche Nebeneinander von hoher Artenkonstanz einerseits und Plastizität der Genome andererseits ist noch ein Phänomen voller Rätsel. Tatsächlich ist in allen Genomen noch Platz für neue Gene. Nur 5 % der menschlichen Erbsubstanz sind mit Genen besetzt, bei Pflanzen oft weniger als 0,5 % und bei Bakterien ca. 95 %. Der Genfluß zwischen den Lebewesen ist wegen der Möglichkeit der Aneignung neuer Gene vermutlich ein wichtiger Faktor für die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen und damit für die Evolution.
Die Evolution arbeitet z. B. auch viel schneller, als Charles Darwin glaubte. Einige Arten haben sich in kürzester Zeit rasant verändert. Unter schneller Evolution oder Mikroevolution versteht man jene evolutionäre Entwicklung von Lebewesen, welche innerhalb einer biologischen Art und damit innerhalb eines in evolutionären Maßstäben kurzen Zeitraumes stattfindet. Das sind kleinere Veränderungen, die durch Mutationen, Rekombinationen und Selektionsprozesse zu einer veränderten Morphologie oder Physiologie der Organismen führen.
Zwei typische Beispiele für Mikroevolution sind
- das seit dem 19. Jahrhundert stark vermehrte Auftreten einer dunklen Variante des Birkenspanners in englischen Industrierevieren;
- Resistenzausbildung von Mikroorganismen gegen Antibiotika;
- Veränderungen der Schnabelgröße bei Darwinfinken.
Das Teilgebiet der Biologie das die die Änderungen der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der Sequenz der Desoxyribonukleinsäure (DNA), etwa durch Mutation oder Rekombination, beruhen und dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden, untersucht, wird Epigenetik genannt. Epigenetische Veränderungen können durch Umweltfaktoren wie Ernährung, Lebensstil und Stress beeinflusst werden und beeinflussen so die Genexpression und Entwicklung. Die Epigenetik wird oft als ein „zweiter Code“ neben dem genetischen Code bezeichnet, der die Interpretation der genetischen Anweisungen steuert. Da die eigentliche DNA-Sequenz nicht verändert wird, können epigenetische Effekte auch nicht im Genotyp (DNA-Sequenz) nachgewiesen, wohl aber im Phänotyp beobachtet werden.
Die exakte genetische Ausstattung, die sämtliche in diesem Individuum vorhandenen Erbanlagen umfasst, also alle in seiner DNA kodierten Erbinformationen, wird Genotyp genannt. Der individuelle Genotyp bildet die genetische Grundlage für die Ausbildung der morphologischen und physiologischen Merkmale des Individuums durch Genexpression, die den Phänotyp bestimmen. Letztere bestimmt das äußere Erscheinungsbild des Individuums und ist sowohl vom Genotyp als auch von Umwelteinflüssen abhängig. Genexpression bezeichnet im weiten Sinn, wie ein Gen (eine bestimmte genetische Information) zum Ausdruck kommt und in Erscheinung tritt. Organismen müssen, um zu überleben, auf ihre Umweltbedingungen reagieren, bzw. sich anpassen. Eine besonders spektakuläre Form dieser Anpassung ist die phänotypische Plastizität. Darunter versteht man das bei vielen Pflanzen und Tieren, aber auch bei Bakterien auftretende Phänomen, dass Individuen mit dem gleichen Genotyp (Erbinformation) unterschiedliche Phänotypen ausbilden, je nach den gerade vorherrschenden Umweltbedingungen. Bei den Fadenwürmern der Familie der Diplogastridae, hat eine vergleichende Studie von mehr als 90 Arten tatsächlich gezeigt, dass die in der Evolution pulsartig auftretende phänotypische Plastizität zu erhöhten Evolutionsraten und zu einer Steigerung der Formenvielfalt führte. Mit dem Auftreten evolutionsbiologischer phänotypischer Plastizität erhöhte sich, im Vergleich zu nicht-plastischen Artengruppen, die Vielfalt der Mundstrukturen. Bei der Fixierung der Plastizität und der sekundären Rückführung in monotypische Artengruppen stiegt dagegen die Evolutionsgeschwindigkeit an. Somit kann angenommen werden, dass die phänotypische Plastizität sowohl für die Interaktion der Organismen mit der Umwelt als auch für die Entstehung der Formenvielfalt über längere evolutionäre Zeiträume von Bedeutung ist.
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1) Unter Selektion (Auslese) versteht man das unterschiedliche Überleben und die Fortpflanzung von Individuen aufgrund von Unterschieden im Phänotyp. Durch die Auslese werden nachteilige Gene eliminiert. 2) Mutation ist die dauerhafte und vererbbare Veränderung der genetischen Information eines Organismus. Kommt die Mutation in einer Körperzelle vor, kann sie an die Tochterzellen weitergegeben werden. 3) Gendrift ist eine zufällige Veränderung der Allelfrequenz innerhalb des Genpools einer Population. Der Hauptunterschied zwischen Gendrift und Mutation besteht darin, dass Mutationen neue genetische Variationen in den Genpool einführen, während Gendrift die Häufigkeit bereits vorhandener Gene zufällig verändert. 4) Migration (Genfluss) ist ein Evolutionsfaktor, bei dem Genveränderungen durch Zu- oder Abwanderung von Individuen mehrerer Populationen einer Art entstehen. Lebewesen verlassen entweder ihren Lebensraum und ihre ursprüngliche Population oder wandern in einen neuen Lebensraum ein und treffen dort auf eine neue Population ihrer eigenen Art. 5) Von Isolation spricht man, wenn sich Individuen oder Populationen einer Art nicht mehr miteinander fortpflanzen können. Denn dann findet kein Genaustausch mehr statt.6) Unter Rekombination versteht man in der Genetik einen Prozess, bei dem Teile der DNA oder RNA neu angeordnet werden, so dass eine veränderte genetische Information entsteht. Im engeren Sinn handelt es sich dabei um den Austausch von Allelen.