Dunkle Materie
Dunkle Materie wurde bisher noch nicht nachgewiesen, doch es gibt gewichtige Indizien für ihre Existenz.
Die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne müsste mit wachsendem Abstand vom Galaxiezentrum, um das sie rotieren, abnehmen, da die sichtbare Materie innen konzentriert ist. Diese Schlussfolgerung ist eine Ableitung aus dem Dritten Keplerschen Gesetz und dem Gravitationsgesetz. Messungen der Doppler-Verschiebung zeigen jedoch, dass die Umlaufgeschwindigkeit der Sterne konstant bleibt oder sogar ansteigt, was mit einer dort vorhandenen nicht sichtbaren Masse, der dunklen Materie erklärt wird. Die Zusammensetzung dunkler Materie ist bisher unbekannt, es gibt aber verschiedene Theorien:
Baryonische Dunkle Materie:
- Kaltes Gas: heiße Gase emittieren immer sichtbare Strahlung, daher könnte eine Erklärung für Dunkle Materie „kaltes Gas“ sein. Dagegen spricht, dass sich kaltes Gas (unter bestimmten Umständen) erwärmen kann und damit sichtbar wird.
- Kalte Staubwolken: diese würden aber das Licht von Sternen reemittieren und somit im Infrarotbereich sichtbar sein.
- Braune Zwerge (Machos): Himmelskörper, die weder Sterne noch Planeten sind. Ihr Innendruck ist so gering, mit der Folge, dass statt Wasserstoff- nur eine Deuteriumfusion stattfindet, wodurch Machos im sichtbaren Spektrum nicht leuchten. Nur wenn ein Macho genau vor einem Stern steht, verstärkt er als Gravitationslinse dessen Strahlung, ein Phänomen, das zwischen Erde und der Großen Magellansche Wolke bereits beobachtet wurde. Nach heutiger Meinung machen Machos jedoch allenfalls einen kleinen Teil der Dunklen Materie aus.
Nichtbaryonische Dunkle Materie:
- Anapole Majorana-Fermionen: Danach sind sogenannte Majorana-Fermionen (= Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen), deren Antiteilchen die gleichen Eigenschaften haben wie die Teilchen selbst.) Träger der Dunklen Materie. Allerdings ist im Standardmodell der Teilchenphysik keines der Elementarteilchen ein Majorana-Fermion.
- Heiße Dunkle Materie (HDM): die Theorie ist aufgrund des erwiesenen, hierarchischen Strukturierungsprozess im Universum, dem sogenannten Bottom-up-Szenario umstritten, sodass heiße dunkle Materie, wenn überhaupt, allenfalls nur einen kleinen Teil der gesamten Dunklen Materie ausmachen kann.
- Neutrinos: Allerdings ist deren maximale Masse nach heutiger Meinung nicht ausreichend, um Dunkle Materie ausreichend zu erklären.
- Kalte Dunkle Materie (CDM): damit sind allerdings noch nicht beobachtete, schwach wechselwirkende massive Elementarteilchen ( WIMPs) gemeint, die nur der Gravitation und der schwachen Wechselwirkung unterliegen. WIMPs lassen sich im Gegensatz zur heißen dunklen Materie mit einer hierarchischen Entstehung des Universums vereinbaren.
- Axionen: hypothetische Teilchen einer Quantenfeldtheorie (Quantenchromodynamik) zur Beschreibung der starken Wechselwirkung. Seit den 90er-Jahren wird mithilfe diverser Experimente (z. B. „Licht durch die Wand“-Experiment) und verschiedener Methoden ( Helioskope, kristalline Detektoren, etc.) versucht, die bisher nur postulierten Axionen nachzuweisen.
![Kugelsternhaufen M15 , Urheberschaft: NASA and The Hubble Heritage Team [Public domain] Kugelsternhaufen M15 , Urheberschaft: NASA and The Hubble Heritage Team [Public domain]](https://kompendiumdergeh-wuwez36xh1.live-website.com/wp-content/uploads/2024/05/image-46.jpg)
Nach neuesten Erkenntnissen enthalten größere Kugelsternhaufen (über 1 Mio. Sonnenmassen), z. B. der Kugelsternhaufen M 15 überwiegend Dunkle Materie. M 15 hat außerdem ein 4.000 Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch im Kern. Ein internationales Team von Astronomen hat in jüngster Vergangenheit eine weitere Galaxie mit dunkler Materie entdeckt. Die Galaxie namens Dragonfly 44 im Sternbild Haar der Berenike enthält fast keine Sterne und besteht zu 99,99 Prozent aus der mysteriösen Dunklen Materie, Nur 0,01 Prozent sind leuchtende Sterne. Die Entdeckung gelang mit dem auf Hawaii stehenden W. M. Keck Observatorium. Zuvor hatten die Astronomen bereits Zwerggalaxien mit wesentlich weniger Masse als DF 44 gesichtet, die aber einen ähnlich hohen Anteil Dunkler Materie besitzen. Die Existenz der Dunklen Materie selbst setzt implizit voraus, dass die Gravitation dem Newtonschen Gravitationsgesetz bzw. der Allgemeinen Relativitätstheorie folgt. Es gibt aber auch Überlegungen, die Erklärungsansätze und Beobachtungen durch eine Modifikation des Gravitationsgesetzes zu erklären.
- Der niederländische Physiker Erik Verlinde entwickelte das Modell der Entropischen Gravitation. Darin wird Gravitation nicht als Wechselwirkung von Materie mit Dunkler Materie verstanden, sondern als Emergenz von Materie (= Herausbildung von neuen Eigenschaften (Systemeigenschaften) oder Strukturen eines Systems) und Information beschrieben.
- Der Physiker Jacob Bekenstein formulierte 2004 die Tensor-Vektor-Skalar-Gravitationstheorie (TeVeS). Der Hauptunterschied zur allgemeinen Relativitätstheorie liegt darin, wie die Gravitationsstärke in Abhängigkeit von der Entfernung zur Masse formuliert wird. Diese wird bei der TeVeS mittels eines 1Skalars eines 2Tensors und eines 3Vektors erklärt, während die allgemeine Relativitätstheorie die Raumgeometrie mittels eines einzigen Tensors darstellt.
- Der Physiker John Moffat formulierte 2014 die Skalar-Tensor-Vektor-Gravitationstheorie (STVG). Diese Theorie postuliert die Existenz eines Vektorfeldes, sie behandelt die enthaltenen kosmologischen Konstanten als Vektorfelder. Für schwache Felder produziert die Theorie eine Modifikation der Gravitationskraft: Die Gravitationskraft auf große Entfernung ist stärker als durch das Newtonsche Gravitationsgesetz vorhergesagt, während der Gravitation auf geringeren Entfernungen eine hypothetische fünfte Kraft mit abstoßender Wirkung entgegenwirkt. Die Theorie bietet darüber hinaus eine Erklärung für den Ursprung des ersten Newtonschen Gesetzes (= Trägheitsprinzip): Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern jener nicht durch einwirkende Kräfte (z. B. Gravitationskraft oder Reibungskraft) zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.
Vor dem Jahr 1956 gingen Physiker davon aus, dass die Gesetze der Physik einer Links-Rechts-Symmetrie folgten, , d. h. dass es zu jedem Elementarteilchen ein identisches Paarteilchen gibt, das sich nur durch die entgegengesetzte Ladung unterscheidet. Diese Teilchen heißen Antiteilchen und bestehen aus Antimaterie. Teilchen mit neutraler Ladung und Masse (Photon, Graviton) sind jeweils ihre eigenen Antiteilchen. Hier die die wichtigsten Materie-Teilchen und ihr jeweiliges Antimaterie-Teilchen.
| Elementarteilchen | Spiegelpartner |
| Photon | Photon |
| Graviton | Graviton |
| Gluon | Anti-Gluon |
| Elektron | Positron |
| Myon | Anti-Myon |
| Neutrino | Anti-Neutrino |
| Quark | Anti-Quark |
| Proton | Anti-Proton |
| Tauon | Anti-Tauon |
| Neutron | Anti-Neutron |
Auch die Antiteilchen zählen zu den Elementarteilchen. Trifft ein Materieteilchen auf sein Antiteilchen, zerstrahlen beide unter Bildung von Photonen. Die Photonen haben dabei jeweils die Energie, die der Masse der ursprünglichen Teilchen entspricht, nach Einsteins E = m x c2. Die Spiegelsymmetrie schien sich zu bestätigen, da festgestellt wurde dass alle Neutrinos linkshändig und alle Anti-Neutrinos dagegen rechtshändig sind. Später stellte sich heraus, dass bei dem kurzlebigen Elementarteilchen 4Kaon die Links-Rechts-Symmetrie nicht bestätigt werden konnte. Vielmehr wurde eine „Linkshändigkeit“ bei den grundlegenden Gesetzen der Physik festgestellt, denn sowohl das Kaon als auch das Anti-Kaon waren linkshändig. Dennochkann es eine Spiegelbildsymmetrie geben , wenn eine neue Form von Materie, die Spiegelmaterie existiert. Eine solche konnte bisher aber nicht nachgewiesen werden.

1Größe, die allein durch die Angabe eines Zahlenwertes charakterisiert ist; 2Größe, mit deren Hilfe man Skalare und Vektoren in ein einheitliches Schema einordnen kann; 3Größe, die durch einen Zahlenwert und eine Richtung definiert ist. 4Kaonen oder K-Mesonen sind subatomare Teilchen. Sie unterliegen der starken Wechselwirkung und gehören damit zu den Hadronen. Sie bestehen aus einem Strange-Quark (oder Anti-Strange-Quark) und einem Up- oder Down-Quark .