Unsichtbare Feinde

Cholera-Bakterien

Gefährliche multiresistente Keime breiten sich global immer mehr aus. Weil viele Antibiotika gegen sie nicht wirken, sterben Menschen an Krankheiten, die längst als besiegt galten. Multiresistente Keime, auch bekannt als multiresistente Erreger (MRE) oder Multidrug-resistente Organismen (MDRO), sind Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika resistent geworden sind. Antibiotika-Resistenzen sind eine der größten globalen Gesundheitsgefahren. Die Resistenz entsteht durch natürliche Mutationen im Erbgut der Bakterien oder durch den Austausch von Resistenzgenen zwischen verschiedenen Bakterienarten, z.B. über Plasmide. Plasmide sind kleine, ringförmige DNA-Stücke, die in einem Bakterium zusätzlich zur Bakterien-DNA vorkommen können. Oft beinhalten Plasmide genetische Informationen, die dem Bakterium spezielle Fähigkeiten verleihen, beispielsweise Antibiotikaresistenz. Beispiele für multiresistente Keime sind MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), ESBL-bildende Bakterien und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken).

Die Bakterien bilden neben den 1Eukaryoten und 2Archaeen eine der drei grundlegenden Domänen, in die alle Lebewesen eingeteilt werden. Die meisten Bakterien besitzen eine Zellwand, alle besitzen eine Zellmembran, die das Cytoplasma und die Ribosomen umschließt. Die DNA liegt als strangförmiges, in sich geschlossenes Molekül – ein so genanntes Bakterienchromosom – frei im Cytoplasma vor. Lebensweise und Stoffwechsel der Bakterien sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. So gibt es Bakterien, die Sauerstoff benötigen (aerobe Bakterien oder Aerobier), Bakterien, für die Sauerstoff Gift ist (obligat anaerobe Bakterien oder obligate Anaerobier), und Bakterien, die tolerant gegenüber Sauerstoff sind (fakultative Anaerobier). Einige Bakterien sind zur Photosynthese fähig, also phototroph, zum Beispiel die (früher auch Blaualgen genannten) Cyanobakterien, die meisten sind dagegen chemotroph. Bakterien vermehren sich asexuell durch Zellteilung. Bakterien können untereinander, auch über Artgrenzen hinweg, Gene austauschen und sogar in ihrer Umgebung vorkommende, auch fossile DNS-Fragmente in ihre eigene DNS einbauen. In diesem Zusammenhang wurde ein neuer Begriff geprägt: Anachronistische Evolution, Evolution auch über Zeitgrenzen hinweg.

Bakterien weisen eine Reihe einzigartiger Eigenschaften auf, die ein beträchtliches Potenzial für die Gesellschaft bergen. Neue Methoden für die Diagnose, Behandlung und Prävention von Infektionen, Möglichkeiten, Nutzpflanzen vor Krankheiten zu schützen oder als nachhaltige Miniaturfabriken für die chemische Produktion. Dazu muss aber das Genmaterial dieser Bakterien entsprechend verändert werden. Das geschieht durch die effiziente DNA-Transformation, also das Einbringen fremder DNA in eine Zelle. Ein Problem stellen dabei sogenannte Restriktions-Modifikationssysteme dar. Diese Schutzsysteme markieren das bakterielle Genom mit einem einzigartigen Methylierungsmuster und zerstören eingehende fremde DNA, die dieses Muster nicht aufweist.  Dies hat zur Folge, dass die Gentechnik bisher nur bei einer kleinen Untergruppe von Mikroben zum Einsatz kommt. Ohne Bakterien gäbe es keine Welt. Nicht nur, dass aus Bakterien höheres Leben hervorgegangen ist, ohne sie könnten auch heute noch höhere Lebewesen gar nicht existieren. Sie helfen bei der Verdauung und stärken das Immunsystem. Auch beim Menschen, der allein ein viertel Kilo davon im Darm beherbergt.Bakterien sind die geheimen Herrscher der Welt, Pflanzen, Tiere und auch der Mensch sind auf sie angewiesen. Doch etwa ein Zehntel des menschlichen Genoms stammt von Viren, und diese virale DNA hat in unserer Evolution eine entscheidende Rolle gespielt. Ein Teil davon diente als Grundlage für die Plazenta von Säugetieren. Andere Teile sind an unserer Immunantwort gegen Krankheiten und an der Bildung neuer Gene beteiligt. Ohne Viren hätte sich der Mensch nicht entwickeln können. Die Frage was war zuerst Bakterien oder Viren ist strittig. Doch da einige moderne Viren RNA zur Speicherung genetischer Informationen verwenden, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Viren aus selbstreplizierenden RNAs entwickelt haben könnten. Dies würde bedeuten, dass Viren möglicherweise vor Bakterien auftraten. Ein direkter Nachweis uralter Viren ist aber nicht bekannt. Älteste Nachweise von Bakterien gibt es jedoch zum Beispiel in sogenannten Stromatolithen, wovon die ältesten 3,6 Milliarden Jahre alt sind und in Australien gefunden wurden. Dennoch lautet eine gängige Hypothese dass die erste existierende Zelle in der Erdgeschichte schon mit Viren infiziert gewesen ist. Danach hätten Viren alle Evolutionsschritte bis zum Menschen begleitet und dabei ständig neue Formen hervorgebracht.

Die Fähigkeit einer großen Anzahl von Bakterien, für den Menschen wichtige Stoffe wie Antibiotika und Enzyme zu produzieren, wird in der Biotechnik vielfältig genutzt. Neben klassischen Verfahren in der Nahrungsmittel- und Chemikalienproduktion (Weiße Biotechnologie; vor allem Bioethanol, Essigsäure, Milchsäure, Aceton) werden auch ihre Fähigkeiten, problematische Abfälle zu beseitigen sowie Medikamente zu produzieren (vor allem Antibiotika, Insulin) genutzt. Viele Bakterien sind für den Menschen selbst lebensnotwendig. Vor allem Laktobazillen und Bifidobakterien, die beispielsweise dabei helfen unsere Nahrung zu verdauen, Nährstoffe aus der Nahrung zu gewinnen, die Darmbarriere unterstützen und bei der Immunabwehr helfen. Oder solche die verhindern, dass sich Krankheitserreger zu stark vermehren. So kann z. B. Klebsiella oxytoca identifizierte Art nutzt die gleichen Zucker wie der Krankheitserreger, allerdings so effizient, dass dem Krankheitserreger zu wenig zum Überleben bleibt. Ein Beispiel ist Klebsiella oxytoca ein hochwirksames Bakterium gegen Klebsiella pneumoniae.  einer der gefürchteten Krankenhauskeime. Die Art nutzt die gleichen Zucker wie der Krankheitserreger, allerdings so effizient, dass dem Krankheitserreger zu wenig zum Überleben bleibt.  K. oxytoca kann auf diese Weise multiresistente K. pneumoniae-Bakterien gezielt verdrängen, da es die vom Krankenhauskeim zu besetzende Nische effektiv blockiert. Des Weiteren   gibt es Vitamine, die nur von bestimmten Darmbakterien produziert werden können, aber nicht von unserem eigenen Körper. Einige dieser Arten, z. B. (Propionobacterium freudenreichii, Salmonella en- terica, Listeria innocua, Lactobacillus reuteri) können nämlich B-Vitamine (etwa Vitamin 12) und Vitamin K bilden. Ungefähr die Hälfte unseres Tagesbedarfs an Vitamin K stellen unsere Darmbakterien bereit. Zusätzlich beeinflussen die Darmbakterien die Bioverfügbarkeit verschiedener Spurenelemente, die wir zu uns nehmen. Doch Bakterien haben nicht nur Vorteile, manche sind tödlich. Millionen von Menschen sterben jährlich an den Folgen einer bakteriellen Infektionen. Selbst dann, wenn diese Infektionen mit Antibiotika behandelt werden. Denn die Medikamente wirken in vielen Fällen nicht mehr, weil die Bakterien resistent geworden sind. Diejenigen Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika  resistent sind, werden von der WHO als extrem gefährlich eingestuft. Sie Bakterien veränderten sich ständig und werden so auch gegen neue Medikamente immun. Diese Immunität könnten sie auch an andere Bakterien weitergeben. Bei Patienten in Krankenhäusern oder Pflegeheimen kommt es daher immer häufiger vor, dass Antibiotika nicht mehr wirken. Allein in Deutschland entwickeln „etwa 30.000 bis 35.000 Patient/innen eine nosokomiale Infektion (Krankenhausinfektion) mit einem multiresistenten Erreger (MRE), das sind Bakterien, gegen die die meisten Antibiotika unwirksam geworden sind.

Die WHO teilt Bakterien in 3 Gruppen mit unterschiedlicher Priorität ein: Die erste Gruppe ist als besonders kritisch einzustufen. Bei diesen Bakterien treten bereits Resistenzen gegen Carbapeneme ,sogenannte Reserveantibiotika auf. Sie werden erst eingesetzt, wenn alle anderen Behandlungen versagt haben.  In der zweiten Gruppe  sind Bakterien die bereits resistent gegen diverse Antibiotika, etwa Vancomycin, Fluoroquinolone oder Methicillin sind. Bei den Bakterien der dritten Gruppe treten ebenfalls Resistenzen auf. Noch gibt es aber wirksame Antibiotika, die die Bakterien töten können.

Top 8 der gefährlichsten Bakterien der Welt

Klebsiella pneumoniae

Klebsiella ist eine Bakterienart, die im Darm und in menschlichen Fäkalien vorkommt. Klebsiella pneumoniae kann schwere Pneumonien, Harnwegsinfekte oder sogar Sepsis auslösen. Das Bakterium ist zunehmend resistent gegen gängige Antibiotika und kann weitere Infektionen begünstigen. Gelangt es ins Nervensystem, kann das zu einer sogenannten Meningitis, einer Hirnhautentzündung, führen. Klebsiella pneumoniae ist auch resistent gegen Carbapeneme, was es  zu einem der gefürchtetsten Krankenhauskeime macht.

Acinetobacter baumanniiDas häufig multiresistente Bakterium gehört zu den Verursachern von nosokomialen Infektionen (KrankenhausInfektion). Besonders gefährdet sind Personen, deren Immunsystem geschwächt ist. Acinetobacter baumannii ist ebenfalls Carbapenem-resistent.
Mycobacterium tuberculosisMycobacterium tuberculosis (TB) verursacht Tuberkulose – eine potenziell tödliche, bakterielle Infektion der Lunge. Manche Stämme dieses Bakteriums sind multiresistent, sprechen also auf verschiedene Medikamente nicht mehr an. Im Jahr 2023 starben 1,25 Millionen Menschen an TB, darunter 161.000 HIV-Infizierte. Die Tuberkulose ist wahrscheinlich wieder die weltweit führende Todesursache durch einen einzelnen Infektionserreger, nachdem sie drei Jahre lang von der Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) abgelöst wurde.
Salmonella TyphiSalmonella Typhi verursacht Typhus, eine durch hohes Fieber gekennzeichnete, lebensbedrohliche Krankheit. Jedes Jahr erkranken weltweit etwa neun Millionen Menschen an Typhus.  Übertragen werden kann Typhus durch den Verzehr von Lebensmitteln oder Wasser, die mit dem Stuhl oder Urin einer infizierten Person verunreinigt sind.
Shigella Arten

Die Shigellose (Bakterienruhr) ist eine bakterielle Durchfallerkrankung, die durch vier Shigellen-Arten ausgelöst wird: Shigella dysenteriae, S. flexneri, S. boydii und S. sonnei. Sie verbreiten sich über verunreinigte Lebensmittel und Wasser, sind aber auch sexuell übertragbar. Der große Flüssigkeits- und Elektrolytverlust stellt bei einer bakteriellen Ruhr die größte Gefahr dar. Mögliche Folgen sind Krämpfe, Nierenversagen und Kreislaufkollaps bis hin zum Koma. Schwere und tödliche Komplikationen sind bei einer bakteriellen Ruhr jedoch eher selten. Doch etwa drei Prozent der mit einer Shigella-Art (Shigella flexneri) infizierten Personen entwickeln später Gelenkschmerzen, Augenreizungen und Schmerzen beim Wasserlassen.

Enterococcus faeciumEnterococcus faecium lebt in der Darmflora, die auch als Mikrobiom bezeichnet wird. Bei Menschen mit Diabetes oder einem chronischen Nierenleiden kann das Bakterium schwere Erkrankungen verursachen. Enterokokken können zu Harnwegsinfektionen und Infektionen des Nervensystems führen, wenn sie in Teile des Körpers außerhalb des Darms gelangen.
Pseudomonas aeruginosaPseudomonas aeruginosa führt zu Infektionen im Blut, der Lunge, den Harnwegen und anderen Teilen des Körpers, häufig nach Operationen in Krankenhäusern. Besonders gefährdet sind Menschen mit einem durch Krankheiten oder Medikamente geschwächten Immunsystem. Pseudomonas aeruginosa-Bakterien sind multiresistent, auch gegen Carbapeneme.
Escherichia coliEscherichia coli (E. coli)-Bakterien kommen in der Regel ebenfalls im Darm von menschlichen und Tieren vor. Sie sind aber auch in der Umwelt, in Lebensmitteln und im Wasser zu finden. Die meisten Arten von E. coli sind harmlos. Es gibt aber pathogene Stämme die Krankheiten verursachen, darunter Durchfall, Harnwegsinfektionen, Lungenentzündung und Sepsis. E. coli ist gegen Carbapeneme resistent.

 

Linie

1Eukaryoten sind  Lebewesen, deren Zellen einen echten Zellkern besitzen, der von einer Membran umhüllt ist und das Erbgut (DNA) enthält. Hierin unterscheiden sie sich von den beiden übrigen Domänen im System der Lebewesen, den prokaryotischen Bakterien und Archaeen. Zu den Eukaryoten gehören alle höheren Organismen wie Tiere, Pflanzen, Pilze und Protisten (= Amöben, Pantoffeltierchen usw. )

2Archaeen sind wie Bakterien einzellige Mikroorganismen ohne echten Zellkern.  Sie sind in der Forschung von besonderem Interesse, da in ihnen vielleicht Merkmale des frühen Lebens auf der Erde erhalten geblieben sind. Die meisten der bisher bekannten Archaeenarten sind autotroph, d. h., sie benötigen zum Wachstum keine organischen Stoffe, sie gewinnen den Kohlenstoff zum Aufbau ihrer Körperbestandteile ausschließlich durch Assimilation von Kohlenstoffdioxid. Aber auch Heterotrophie, die Gewinnung des Kohlenstoffs aus organischen Verbindungen, ist weit verbreitet.  Die meisten der bisher bekannten Archaeen sind Extremophile, d. h. den extremen Bedingungen ihrer Biotope angepasst. Viele Vertreter besitzen die Fähigkeit, bei sehr hohen Temperaturen (Hyperthermophile über 80 °C), sehr niedrigen oder sehr hohen pH-Werten, hohen Salzkonzentrationen (Halophile) oder hohen Drücken zu leben.  Hyperthermophile Archaeen findet man häufig in vulkanischen Gebieten, marinen (Schwarzer Raucher) und terrestrischen (Geysire), so z. B. vulkanisch geprägten Habitaten des Yellowstone-Nationalparks. Halophile gedeihen gut in Umgebungen mit hohem Salzgehalt, so z. B. im Toten Meer oder auch in natürlich vorkommenden marinen Solen.