Die Osterinsel

Die Bewohner der abgelegenen Osterinsel (Rapa Nui) entwickelten nicht nur ein einzigartiges Schriftsystem, die Rongorongo-Schrift (eine mit Lautzeichen durchsetzte Bilderschrift.), sondern auch eine komplizierte Methode der Sonnenbeobachtung. Die wenigen erhaltenen Rongorongo-Tafeln wurden zwischen 1722 und 1868 aufgefunden. Bisher ist es nicht gelungen, die Texte vollständig zu übersetzen. Die Bewohner der Osterinsel schufen auch kunstvolle Fels- und Höhlenmalereien und fertigten über einen Zeitraum von 900 Jahren ca. 1.000 Steinköpfe, die sogenannten „moai“,

Osterinsel

Die Steinköpfe wurden aus Vulkanstein gemeißelt und erhielten zylindrische rote Steinkronen. Sie wurden landeinwärts blickend auf Plattformen, „ahu“ genannt, aufgestellt. Im 18. Jahrhundert säumten noch Hunderte dieser Steinköpfe die Küste. Viele der Giganten waren auch umgestürzt worden. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stand keiner der Steinköpfe mehr. Archäologen haben ca. 30 davon wieder aufgerichtet.

Moai am Ahu Tongariki

Die aufgerichteten Monolithen sind zwischen 3,50 und 7,50 Meter hoch, der größte der umgestürzten Monolithen misst 9,50 Meter und hat ein Gewicht von ca. 80 Tonnen. Dieser Gigant wurde über eine Entfernung von 8 Kilometer von einem Steinbruch bis zu seinem heutigen Platz transportiert und mit einer 12 Tonnen schweren Steinkrone versehen. Der größte Steinkopf jedoch wurde nicht vollendet. Er ist noch mit dem vulkanischen Felsen verbunden, aus dem er gehauen wurde. Der Steinkopf hat gut 20 Meter Höhe und wiegt ca. 270 Tonnen. Aufgerichtet wäre er so hoch wie ein sechsgeschossiges Gebäude.  Wie konnten die Inselbewohner diese riesigen Monolithen herstellen und an ihre Standorte transportieren? Es wird behauptet, die Steinköpfe wären das Werk einer untergegangenen Zivilisation, vielleicht von Atlantis, oder würden von außerirdischen Besuchern stammen. Seriöse Forscher lehnen diese Theorien ab. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Osterinsel zur Zeit der Kulturblüte im 16. und 17. Jahrhundert etwa 10.000 Einwohner hatte. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts kam der Bau monumentaler Bildwerke zum Erliegen. Die Kultur der Osterinsel erlosch endgültig um 1750 als zahlreiche Kriege die Bevölkerung dezimiert hatten. Später wurden Seuchen und Krankheiten eingeschleppt, gegen die die Einheimischen keine Abwehrkräfte hatten. 1877 war die Bevölkerung der Insel auf 150 Menschen geschrumpft. Als diese letzten Vertreter der alten Traditionen starben, nahmen sie die Geheimnisse der Moai mit sich ins Grab. Die Osterinsel ist ein vulkanischer Gipfel in Form eines rechtwinkligen Dreiecks mit einer Fläche von 162,5 km². Die Landschaft ist vulkanisch und besteht im Wesentlichen aus den drei Vulkanen Rano Kao im Südwesten, dem Poike mit seinem Hauptgipfel Maunga Puakatiki im Osten und dem Maunga Terevaka im Norden. Die Küste der Insel fällt steil bis zu einer Meerestiefe von 3000 Metern ab. Es fehlen die für pazifische Inseln typischen Korallenriffe. Der Küstensaum ist steinig und zerklüftet, mit wenigen kleinen Sandstränden z. B. die Anakena-Bucht an der Nordküste.

Der Legende nach erfolgte die ursprüngliche Besiedelung der Anakena war einer von 20 bewohnten Küstendistrikten, zwischen Hangaoteo im Westen und Ovahe im Osten. Osterinsel, durch Hotu Matua, einem mythischen König aus dem Südost-Pazifik. Die Legende sagt, dass Hoto Matua die Insel entdeckte, nachdem ein Traum ihm signaslisiert hatte, dass seine Heimatinsel, die  Insel Hiva im Marquesas-Archipel in Französisch-Polynesien, im Meer versinken würde, und er sich nolens volens aufmachte, eine neue Heimat zu finden. Hotu Matua verließ daher im 5. oder 6. Jahrhundert mit 200 Siedlern, allerlei nützlichen Pflanzen und Tieren wie Brotfrucht, Süßkartoffel, Hühner, Schweine sowie eine steinerne Statue (ein Moai mit dem Namen Te Takapau) und den Rongorongo-Schrifttafeln seine Heimat Hiva und segelte Richtung Osterinsel. Er und seine Begleiter landeten am Strand von Anakena und gründeten die erste Siedlung auf der Osterinsel. Diese Niederlassung war die Keimzelle für die Besiedelung der Osterinsel. Anakena war einer von 20 bewohnten Küstendistrikten.  Eine neuere Studie von 2022 hat gezeigt, dass es eine genetische Verbindung zwischen den Polynesiern und den Nachfahren der Zenú gibt, die mit den heutigen Zenú verwandt sind. Die Zenú sind ein indigenes Volk in Kolumbien. Der Kontakt fand etwa um das Jahr 1200 n. Chr. statt und lag somit vor der Besiedlung der Osterinsel. Die Autoren der Studie schlagen zwei Erklärungen für diesen Kontakt vor: entweder die Besiedlung einer Insel im östlichen Pazifik durch amerikanische Ureinwohner, gefolgt vom Kontakt mit Polynesiern, oder die Ankunft der Polynesier im heutigen Kolumbien, gefolgt von einer Rückkehr zu einer Insel im östlichen Pazifik. In beiden Fällen erklärt ein Kontakt zwischen amerikanischen Ureinwohnern und Polynesiern die durch Menschen verursachte Verbreitung der Süßkartoffel (die in Amerika beheimatet ist) in ganz Polynesien.

Tukuturi

Unterhalb der südwestlichen Steilwand des Moai-Steinbruchs Rano Raraku wurde 1955 von Arne Skjølsvold eine 3,67 Meter große Steinstatue ausgegraben, die seit dem Fund den Namen „Tukuturi“ trägt. Tukuturi heißt so viel wie „Mit dem Gesäß auf den Fersen sitzen, die flach auf dem Boden liegen„. Anders als alle anderen Steinstatuen auf der Osterinsel ist der Moai Tukuturi mit Beinen und Füßen ausgearbeitet. Einzig die langgezogenen Ohren lassen einen Vergleich mit den übrigen Statuen zu. Der Moai Tukuturi wird weder in den Legenden noch in den Überlieferungen erwähnt, noch konnten sich die Einheimischen die Existenz einer derartigen Statue erklären. 

Rongorongo wird die einzigartige Schrift der Osterinsel genannt. Die Schrift existiert nur auf dieser abgelegenen Insel und ist mit keiner anderen Schriftart der Erde vergleichbar. Der Legende nach ist die Schrift aber keine ureigene Entwicklung der Osterinsel, sondern Hotu Matua, ein mythischer König aus dem Südost-Pazifik. und Urahn der Rapanui, hat angeblich 67 Schrifttafeln aus seiner alten Heimat „Hiva“ mitgebracht. Hiva ist eine legendäre Insel, der mythische Ursprungsort der Rapa Nui. Der Überlieferung nach soll Hiva im Westen der Osterinsel liegen. Wahrscheinlich eine der Insel aus der Inselgruppe der Marquesas. Auf der Inselgruppe der Marquesas kommen ähnliche Namen vor, z. B. Hiva Oa, Fatu Hiva und Nuku Hiva. In diesem Punkt wird die Überlieferung außerdem durch linguistische, archäologische und genetische Forschungen bestätigt. Die Schrift ist vorwiegend auf hölzernen Tafeln sowie einem hölzernen Zeremonialstab ,  auch Santiagostab genannt.

Der Santigostab Santiago Stab

Die 25 noch erhalten gebliebenen und als authentisch geltenden Schriftzeugnisse werden in verschiedenen Museen auf der ganzen Welt aufbewahrt. Das Alter der Tafeln ist weitestgehend ungeklärt. Keiner der frühen Entdecker der Osterinsel, z. B. James Cook (im Jahr 1563), Roggeveen (im Jahr 1722), La Pérouse (im Jahr 1786), berichten über irgendwelche Schriftzeugnisse. Ge sichert ist aber, dass die Tafeln erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa bekannt wurden. Rückschlüsse auf das Alter der Schrift lässt die Verwendung von Symbolen zu, die Pflanzen darstellen, die es nicht oder nicht mehr auf der Osterinsel gibt, unter anderem die Honigpalme, die bereits bei Ankunft der ersten Europäer auf der Insel ausgestorben war. Oder den Brotfruchtbaum, eine Pflanze, die niemals auf der Osterinsel heimisch war. Die Kenntnis davon kann nur von den ersten Siedlern aus dem 5, oder 6. Jahrhundert stammen und muss von einer Generation zur anderen Generation weitergegeben worden sein. Das gesamte überlieferte Schrifttum der Osterinsel umfasst rund 14.000 Schriftzeichen. Die Schriftzeichen stellen jeweils einen ganzen Begriff dar. Dargestellt werden menschliche Figuren, anthropomorphe oder zoomorphe Wesen, Tiere, Pflanzen, Körperteile, grafische Symbole und Gegenstände des täglichen Gebrauches. Der deutsche Ethnologe Thomas Barthel hat die Zeichen der Rongorongo Schrift erfasst, katalogisiert und in Gruppen eingeteilt:

  • grafische Symbole, Pflanzen, Objekte der Natur
  • seltene geometrische Formen und Personifizierungen
  • anthropomorphe Figuren, Kopf in Vorderansicht
  • anthropomorphe Figuren, Kopf in Seitenansicht
  • Kopf in Seitenansicht auf diversen Körperformen und Gestalten mit Pantomimik
  • besondere Kopfformen
  • Vogel-Gestalten
  • sonstige Tierformen

Die 25 noch erhaltenen Rongorongo Tafeln wurden von Thomas Barthel mit den Buchstaben A – Y kategorisiert.

rongorongo

Die Schrifttafeln zeigen in Reihen angeordnete Glyphen, die menschliche Figuren, anthropomorphe oder zoomorphe Wesen, Tiere, Pflanzen, Körperteile, grafische Symbole und Gegenstände des täglichen Gebrauches darstellen. Bei den meisten Zeichen sind die Vorbilder in der Natur noch zu erkennen, andere sind bereits weitgehend abstrahiert. Mittlerweile ist unstrittig, dass es sich um keine Hieroglyphenschrift handelt, in der die Zeichen unmittelbar realen Objekten gegenüberstehen. Sie steht nicht mehr auf der Stufe der Piktographie (Symbol-Bilderschrift), sondern besteht aus Ideogrammen, d. h. aus Schriftzeichen, die einen ganzen Begriff darstellen. Gelesen wird in Zeilen in einer Variation des Bustrophedon (Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder Schreibrichtung) , meist auf eine horizontale Schreibrichtung bezogen von links nach rechts und von unten nach oben. D.h. der Leser beginnt links unten und liest die unterste Zeile von links nach rechts. Dann wird die Tafel um 180 Grad gedreht und die nächsthöhere Zeile gelesen. Die meisten Tafeln sind beidseitig beschrieben und der Text setzt sich ohne Unterbrechung auf der rückwärtigen Seite fort, d. h. die Fortsetzung von der A-Seite beginnt links oben auf der B-Seite. Das gesamte überlieferte Schrifttum umfasst lediglich rund 14.000 Zeichen. Wobei das neben aufgeführte Exemplar  besonders interessant ist. Es soll zu den  67 Tafeln gehören, die Hotu Matua mit auf die Insel brachte. Die Tafel ist doppelseitig beschrieben mit 14 Zeilen auf jeder Seite, insgesamt 1000 Schriftzeichen. Die neueste Forschung vermutet, dass die Tafel einen Mondkalender darstellt, da die Zeilen 6 bis 9 von Seite A auffallend viele astronomische Zeichen und Mondsymbole zeigen.

Orongo, Bemalte Steinplatten

Eine bedeutende Kultstätte auf der Osterinsel ist Orongo. Sie liegt auf einer schmalen Klippe der Südwestspitze der Osterinsel. Auf der einen Seite fällt die Steilwand 300 Meter zum Meer hin ab, auf der anderen Seite 200 Meter zum Kratersee des Vulkankraters Rano Kao. Die Siedlung steht in enger Verbindung mit dem 1Vogelmannkult und ist hinsichtlich ihrer Lage, Größe und Ausgestaltung im gesamten Pazifik einzigartig. Die letzte Vogelmann-Zeremonie fand dort 1862 statt. Ab diesem Zeitpunkt wurde Orongo nicht mehr rituell genutzt und war dem Verfall ausgesetzt. Das gesamte Gebiet ist mit zahlreichen Felszeichnungen (Petroglyphen) unterschiedlicher Größe bedeckt. Die französisch-belgische Expedition von 1934/35 listete 53 Felsblöcke auf mit insgesamt über 200 Darstellungen. Die meisten daavon stellen  den Vogelmann, eine zoomorphe Mischung von Mensch und Fregattvogel dar. Weitere ein Gesicht bzw. Maske (wahrscheinlich der Schöpfergott Makemake). Der Vogelmannkult ist nach Auffassung einiger Ethnologen der zentrale Kult der Osterinsel. Offensichtlich ist er jedoch nicht auf die Osterinsel beschränkt, Vogelmanndarstellungen sind u. a. auch aus Samoa, der Sepik-Region in Neuguinea und aus einigen südamerikanischen Kulturen bekannt. Die neueren archäologischen Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass die riesigen Steinstatuen (Moais), die Orongo-Petroglyphen und die Rongorongo-Schrifttafeln auf dieselbe Bevölkerung zurückzuführen sind.

Linie

1Zu Beginn des 16. Jahrhunderts, entwickelte sich auf der Osterinsel der so genannte Vogelmann-Kult. Makemake (auch Make-Make) ist die Schöpfer- und Fruchtbarkeitsgottheit der Kultur der Osterinsel. Im Vogelmann-Kult (Tangata manu) ist Makemake die Hauptgottheit. Makemake tritt in den Geschichten der Rapanui fast immer zusammen mit seinem Begleiter Haua auf. Sowohl Makemake als auch Haua kommen nur in der Religion der Osterinsel vor, nicht aber in anderen polynesischen Religionen. Der Schöpfungsmythos von Rapanui erzählt folgende Geschichte: Nachdem Makemake die Erde erschaffen hatte, spürte er, dass etwas fehlte. An jenem Tag erkannte er in einer wassergefüllten Kalebasse sein Spiegelbild. Da in jenem Moment ein Vogel auf seiner Schulter landete, sah er sein Gesicht mit Flügeln und Schnabel. Er hauchte dem Abbild Leben ein und es ward sein Erstgeborener. Dann wollte Makemake ein Wesen schaffen, das reden konnte wie er und er hauchte dem Wasser Leben ein, so dass der Fisch entstand. Aber das Resultat war nicht das gewünschte und so hauchte er auch einem Stein an Land Leben ein und so wurde der erste Mensch erschaffen. Als Makemake sah, dass der Mann einsam war, erschuf er die Frau. Makemake gab ihnen Rapanui als ihr Land. Makemake wird häufig auf Petroglyphen auf den Inseln als maskenhaftes Gesicht mit großen, eulenartigen Augen dargestellt. Ab etwa dem Jahre 1500 bis ins Jahr 1867 fand eine jährliche Zeremonie statt, die auf dem Makemake-Kult basierte und dazu diente, das Oberhaupt der Insel zu bestimmen. Jeder Stamm schickte einen Krieger, der zu der vorgelagerten Insel Motu Nui schwimmen musste, um das erste Vogelei des Jahres zurückzubringen. Der Häuptling des Stammes, dessen Krieger das Ei brachte, wurde für ein Jahr zum „Vogelmann“ (tangata-manu) ernannt, der neben der Funktion als Oberhaupt auch eine vermittelnde Funktion zwischen den Einwohnern und dem Gott Makemake hatte. Das Ende des Vogelmann-Kultes kam 1862/63 mit der gewaltsamen Entführung der Insulaner durch peruanische Menschenhändler sowie mit den anschließend eingeschleppten tödlichen Krankheiten 1863/64, die Moai und die Ahnenverehrung aber blieben.