Die Assassinen
Fast zwei Jahrhunderte lang verbreiteten die Assassinen Angst und Schrecken unter den Herrschenden im Nahen Osten. Ihr Zentrum war die Bergfestung Alamut im Norden Irans, erbaut auf dem schmalen Grat eines 2000 Meter hohen Felsens im Elbors-Gebirge. Die Geheimgesellschaft nannte sich selbst Fedajin, die „Geweihten“. Gründervater der Assassinen war Hassan-i Sabbah (gest. 1124 in Alamut), ein im mittelalterlichen Persien wirkender Missionar der schiitisch-islamischen Minderheit der Ismailiten. Im Jahr 1094 trug er maßgeblich zur Spaltung dieser Gemeinschaft bei, als er den Zweig der Nizari-Ismailiten (Nizariten) gründete. In der christlichen Geschichtsschreibung des Mittelalters sind die Nizariten allerdings ausschließlich als Assassinen bekannt geworden. Hauptsiedlungsgebiet der Nizariten im Mittelalter waren Persien (Iran) und Syrien. Die Bergfestung Alamut wurde zu einem Ausbildungszentrum, in dem potenzielle Attentäter, nicht nur körperlich, sondern auch geistig geschult wurden. Junge Männer wurden zu menschlichen Waffen, die für das Versprechen des ewigen Lebens ihr irdisches Dasein aufgaben.
Die Organisation der syrischen Assassinen entsprach der einer Theokratie, in der die Aufgabe der sozialen wie religiösen Führung der Person eines Missionars anvertraut war, dem sogenannten „Rufer“ (daʿī). Jede Kommune wurde von einem eigenen Rufer betreut. Das syrische „Land der Mission“, also die Gesamtgemeinde der dortigen Nizariten, wurden von einem Chefmissionar geführt und nach außen hin vertreten, der heute häufig als „Groß-Da‘i“ oder auch „Großmeister“ bezeichnet wird. Im persischen Alamut hatte der Imam, das religiös-politische Oberhaupt (als geistliches Haupt) der islamischen Gemeinschaft, die unumschränkte Führungsautorität über seine gesamte Anhängerschaft , von denen die meisten aus Persien stammten. Die Willensbekundungen des Imams gelten als religiöses Dogma und haben für seine Anhänger (Schia) einen verpflichtenden Charakter. 1090 hatte Hasan-i Sabbāh, der Gründer der Assassinen, die als uneinnehmbar geltende Zitadelle Alamut durch einen Überraschungsangriff und die Zahlung von 3000 Dinaren ihrem seldschukischen Statthalter Mahdi ohne Blutvergießen abgenommen. In der Folgezeit war die Festung für 166 Jahre der Hauptsitz der persischen Nizariten.
In den Jahren nach dem Pogrom von Damaskus (= Ritualmordanklage gegen in Damaskus lebende Juden im Jahr 1840) begannen die syrischen Nizariten mit der Errichtung eines eigenen Herrschaftsgebietes. Zunächst konzentrierten sie sich dabei auf die Gebirgsregion des Dschebel Ansariye, das von der Levanteküste bis zum Orontes ein Niemandsland zwischen den Kreuzfahrerstaaten und den syrischen Herrschaften der Zengiden war. 1132 konnten sie die erste Burg Qadmus kaufen. 1141 besetzten sie die Burg Masyaf. Im Laufe der Zeit konnten sie im unzugänglichen Gebirge ein autonomes Gebiet errichten. Die Burg Masyaf wurde im 12. und 13. Jahrhundert ausgebaut und diente dem Geheimbund als Hauptsitz in Syrien. Seit 1164 residierte hier der „Alte vom Berge“, Sinan Raschid ad-Din, der Nachfolger von Hasan-i Sabbāh. 1270 konnte der Mameluk al Zaher Beybars Baibar, Sultan von Ägypten und Syrien, die Burg während eines langjährigen Feldzuges gegen die Assassinen in seinen Besitz bringen. Mit diesem Erfolg war die Macht der Assassinen in Syrien gebrochen. Am Ende waren es dann die Mongolen, denen es gelang, die Macht des Geheimbundes vollständig zu brechen. 1256 brachten die Kämpfer aus der Steppe ihre Katapulte gegen Alamut in Nordiran in Stellung. Das bis dahin uneinnehmbare Adlernest fiel. Über 40 Burgen der Assassinen wurden danach geschleift. Zuletzt fiel das Gipfelbollwerk Gerd-Kuh auf dem 300 Meter hohen Felsbuckel. Heute existieren kaum noch Originalschriften der Assassinen. Bei der Eroberung ihrer Festung Alamut ging die Bücherei in Flammen auf. Der Assassine hat weder Massentötungen begangen, noch die Ermordung von unbeteiligten Personen in seine Handlungen gezielt einkalkuliert. Ihre Angriffe haben sich in der Regel auf Einzelpersonen in staatlichen und klerikalen Führungspositionen beschränkt, Kollateralschäden waren eine seltene Ausnahme. Prominente Opfer der Assassinen waren z. B. Raimund II. Graf von Tripolis († 1152 in Tripolis). Mit ihm wurde der normannische Baron und Kreuzritter Ralph von Merle getötet. Des Weiteren der Markgraf Konrad von Montferrat († 1192 in Tyrus), Philipp von Montfort ( † 1270 in Tyrus), Herr von Tyrus und Toron, Raimund von Antiochia († 1213 in Tortosa), ältester Sohn des Fürsten Bohemund IV. von Antiochia, sowie zahlreiche Sultane, Emire, Wesire und Kalifen. Ermordet wurden die Opfer in Moscheen, bei Empfängen oder im Schlaf. Zu einigen der Mordopfer gab es keine plausible Motivlage so die Ermordung des Konrad von Montferrat und die des Raimund von Antiochia. Das Motiv dieser Taten ist unklar.