Das Volk der Nazca
Die Nazca-Kultur ist eine untergegangene indigene Kultur in Peru, die von 100 v. Chr. bis 800 n. Chr. ihre Blütezeit hatte. Vorläufer der Nazca-Kultur war die Paracas-Kultur, die von 900 bis 200 v. Chr. im Gebiet der heutigen Region Ica (Peru) existierte. Die Nazca-Kultur wurde stark von der Paracas-Kultur beeinflusst. Dies zeigte sich darin, dass zahlreiche Bräuche und Riten übernommen wurden. Die Paracas-Kultur ging fließend in die Nazca-Kultur über und drang nicht, wie vorher vermutet, von außen in das Gebiet der Nazca ein. Das Volk der Nazca beherrschte den Feldbau und hatte eine hoch entwickelte Weberei und Töpferei. Die von ihnen hergestellten Gefäße sind bedeckt mit vielfarbigen Malereien, die mythologische Wesen, Trophäenköpfe, aber auch Vögel, Fische, Früchte und geometrische Muster zeigen; ihre Gewebe sind mit ähnlichen Mustern bestickt. Bei den Nazca galt wie auch schon bei den vorhergehenden Paracas eine längliche Kopfform (Langschädel) als Schönheitsideal. Die einzigartige Form der Paracas-Schädel hat z. B. zu Spekulationen geführt, es handele sich um eine außerirdische Rasse. Als die Konquistadoren im 16. Jahrhundert in der Neuen Welt ankamen, wurde die Schädeldeformation verboten. Die Inka waren die letzte Hochkultur in Südamerika, die die Technik der Schädeldeformation praktizierten. In Peru wurde bei 87 % und in Chile bei 89 % aller prähistorischen Schädel eine kraniale Deformierung festgestellt.
Um während des Wachstums den Schädel entsprechend zu deformieren, wurden bereits den Säuglingen Bretter vor die Stirn gebunden. Im Gräberfeld von Chauchilla 30 km südlich der Stadt Nazca in der gleichnamigen Provinz wurden viele dieser Langschädel gefunden. Die Nazca-Kultur entstand in der Küstenwüste am Pazifik, einer der trockensten Gegenden der Erde. Die Trockenheit in diesen Wüsten wird noch verstärkt durch den Auftrieb von kaltem Tiefenwasser nahe der Küste, hervorgerufen durch trockene ablandige Passatwinde. In der Nazca-Region fällt oft jahrzehntelang kein Regen. Diese extremen klimatischen Bedingungen, brachte die Nazca wohl auf die geniale Idee, ihre Felder über ein künstliches unterirdisches Kanalsystem zu bewässern. Das Bewässerungssystem Acueductos de Cantayoc der Nazca in Peru ist weltweit einmalig. Die unterirdischen, 5 bis 20 m tiefen Wasserkanäle der Nazca werden Puquios genannt. Die Kanäle leiten noch heute Wasser der Anden in die trockene Nazca-Region hinab. Ihre Konstruktion zeugt von der Genialität der Nazca. Die Nazca-Puquios befinden sich entlang von fünf der neun Zuflüsse des Rio Grande de Nazca. Von Süden nach Norden sind dies die Flüsse Las Trancas, Taruga und der Nazca, der zwei Nebenflüsse hat, den Tierras Blancas und den Aja. Die Quellen der Flüsse liegen in den Anden, etwa 70 Kilometer von den Puquios entfernt. Die Bewohner der Flusstäler errichteten die Puquios als Wasserquellen während der Trockenzeit. Es gibt zwei Arten von Puquios. Der erste ist der Graben-Puquios, ein tiefer, schmaler Graben, normalerweise weniger als einen Meter breit, mit Steinen ausgekleidet und zur Luft hin offen. Der zweite Typ ist der Galerie- oder unterirdische Puquios, der unter der Erde gegraben wird, um Wasser aus einem Grundwasserleiter zu erschließen. Der wasserführende Grundwasserleiter liegt normalerweise etwa 10 Meter unter der Erde, kann aber auch viel näher an der Oberfläche liegen. Vom Grundwasserleiter fließt das Wasser durch einen unterirdischen Tunnel hangabwärts und tritt an der Oberfläche in einen Graben-Puquios aus, von wo es über Bewässerungskanäle wird. Der unterirdische Tunnel ist normalerweise etwa einen Quadratmeter groß, obwohl einige der Tunnel, die mit Holzbalken verstärkt sind, bis zu 2 Meter hoch sein können.

Entlang der Galerie Puquios befinden sich in Abständen vertikale Schächte, „Augen“ oder „Ojos“ auf Spanisch, die von der Oberfläche bis zum unterirdischen Tunnel reichen. Die spiralförmigen Strukturen bildeten ein ausgeklügeltes Belüftungssystem. Durch diese Trichter konnte der Wind in die Kanäle eindringen und das Wasser durch das System fließen lassen. Ausserdem ermöglichten sie den Zugang zum Tunnel für Wartungs- und Reparaturarbeiten. Alle 10 bis 20 m gibt es so ein “ojo. Die Kanäle sind teilweise bis 2 km lang und verlaufen sogar unterhalb von Flüssen. Der Ursprung und die Datierung der Puquios sind strittig. Einige Archäologen glauben, dass ihr Bau um 500 n. Chr. von Ureinwohnern der Nazca-Kultur begonnen wurde. Andere wiederum glauben, dass sie im 16. Jahrhundert von den indigenen Untertanen der spanischen Kolonisten im Auftrag gebaut wurden. Für einen präkolumbianischen Ursprung der Puquios sprechen jetzt aber Satellitenaufnahmen, die belegen, dass das gesamte Puquios-System einst viel umfangreicher war. Die „Puquios waren über die ganze Nazca-Region verteilt und konnten in Bezug auf nahe gelegene Siedlungen genauer datiert werden. Die Satellitenbilder zeigten auch zusätzliche, bisher unbekannte Puquios im Einzugsgebiet von Nazca.

Die wohl bekanntesten Relikte der Nazca in Peru sind aber die rätselhaften Nazca-Linien (Abbilder von Menschen, Affen, Vögeln und Walen), die seit 1994 zum UNESCO-Welterbe zählen. Die mehr als 1500 Linien und Bodenzeichnungen (= Geoglyphen) in der Nazca-Ebene wurden in den Boden der für diese Region typischen Geröllwüste gescharrt (Scharrbilder) und waren lange Zeit eins der größten Geheimnisse der Archäologie. Die Figuren sind teilweise mehrere Hundert Meter groß und können nur aus der Luft und von umliegenden Hügeln aus gut erkannt werden. Es sind die größten bekannten, von Menschenhand geschaffenen Bilder. Seit ihrer Entdeckung ringen sich wilde Spekulationen um die Nazca Linien. Wie konnten die Nazca diese riesigen Gebilde erschaffen? Welchem Zwecke dienten sie? Von Orientierungsmarken für Landebahnen für Außerirdische, über Stammeszeichen, Landkarten, bis hin zu Startplätzen für Heißluftballons gab es viele Thesen. Doch eine neuere Theorie aus dem Jahr 2008 erscheint am plausibelsten. Am Nordrand der heutigen Atacama-Wüste setzte seit der Paracas-Zeit eine starke Wüstenbildung ein. Die Wasserversorgung wurde zur Überlebensfrage. Die Sicherstellung der Wasserzufuhr und die Verteilung des Wassers wurde somit zwangsläufig zur Grundlage der Nazca-Kultur und ihrer Religion. Die moderne Archäologie geht daher inzwischen davon aus, dass es sich bei den Linien mit hoher Wahrscheinlichkeit um Gestaltungen im Rahmen von Fruchtbarkeitsritualen mit einem religiösen Bezug handelt, dass die Linien also Aktionsflächen für Rituale in Hinblick auf Wasser und Fruchtbarkeit gewesen sind. Aber vielleicht haben ja tatsächlich Aliens bei der Erschaffung dieses 8. Weltwunders mitgeholfen. Wer weiß?
