Das Jerusalem-Syndrom

Das Jerusalem-Syndrom bezeichnet eine psychische Störung, von der jährlich etwa 100 Besucher der Stadt Jerusalem betroffen sind. Das Phänomen ist nicht auf eine einzelne Religion oder Konfession beschränkt, sondern betrifft Juden , Christen und Muslime unterschiedlichster Herkunft. Die Erkrankung äußert sich unter anderem in religiösen Wahnvorstellungen. Die Betroffenen identifizieren sich z. B. in einigen Fällen mit einer heiligen Person aus dem Alten oder Neuen Testament und geben sich als diese aus. Sehr bekannte biblische Figuren werden besonders häufig zum Objekt einer solchen Identifizierung, wie Mose und König David aus dem Alten oder Paulus und Johannes der Täufer aus dem Neuen Testament. Die Identifizierung als biblische Person geht einher mit einer entsprechenden Selbstdarstellung und wird oft begleitet von öffentlichen Predigten oder Gebeten des Erkrankten. Auch hüllen sie sich oft in weite Gewänder oder Bettlaken, um die Kleidung der damaligen Zeit nachzuahmen. Grundsätzlich ist die Erkrankung nicht gefährlich und heilt typischerweise nach einigen Wochen oder nach der Entfernung aus dem betroffenen Gebiet vollständig aus. Die große Mehrzahl der erkrankten Personen zeigte bereits vor dem Jerusalem-Syndrom psychische Auffälligkeiten. Es ist bekannt, dass Fälle des Syndroms bereits im Mittelalter beobachtet wurden, da es in den Erzählungen des Schweizer Dominikanertheologen Felix Fabri über seine Pilgerreisen nach Palästina und in der Biographie von der englischen katholischen Mystikerin Margery Kempe beschrieben wird. Weitere Fälle wurden in der umfangreichen Literatur über Besucher Jerusalems im 19. Jahrhundert beschrieben. Während eines Zeitraums von 13 Jahren (1980–1993), in dem die Einweisungen in das Kfar Shaul Mental Health Center in Jerusalem analysiert wurden, wurde berichtet , dass 1.200 Touristen mit schweren, Jerusalem-bezogenen psychischen Problemen an diese Klinik überwiesen wurden. Von diesen wurden 470 stationär behandelt. Im Durchschnitt wurden jährlich 100 solcher Touristen behandelt, 40 von ihnen mussten stationär behandelt werden. Der religiöse Fokus des Jerusalem-Syndroms unterscheidet es von anderen Phänomenen wie dem 1Stendhal-Syndrom in Florenz oder dem 2Paris-Syndrom in Paris.

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1Das Stendhal-Syndrom  ist eine psychosomatische Erkrankung, die mit Herzrasen, Verwirrtheit, Halluzinationen und sogar Ohnmacht einhergeht und angeblich auftritt, wenn die Betroffenen Objekten , Kunstwerken oder Phänomenen von großer Schönheit ausgesetzt sind.

2Das Paris-Syndrom beschreibt ein Gefühl extremer Enttäuschung, das manche Menschen bei einem Besuch in Paris verspüren , weil sie das Gefühl haben, die Stadt habe ihre Erwartungen nicht erfüllt. Die  Symptome wurde besonders bei japanischen Touristen beobachtet. Als Ursache wird die Idealisierung von Paris in der japanischen Kultur vermutet.