Das Geheimnis der Termiten
In der Savanne von Caatinga in Brasilien stehen etwa 200 Millionen nahezu baugleiche Termitenhügel, die sich in faszinierender Regelmäßigkeit über eine Fläche von 230 000 Quadratkilometer erstrecken. Das entspricht ungefähr der Größe des Territoriums von Großbritannien. Einige der rund 2,5 Meter hohen und etwa neun Meter breiten Hügel sind fast 4000 Jahre alt. Das gesamte durch die Termiten abgeräumte Erdreich schätzen Forscher auf mehr als zehn Kubikkilometer. Zum Vergleich: Was die brasilianischen Termiten geschaffen haben, entspricht dem Volumen von 4000 Cheops-Pyramiden. Es handelt sich somit um eines der größten Bauwerke, die jemals von einer Insekten-Spezies errichtet wurden. Dahinter steckt die Termitenart Syntermes dirus, eine in Brasilien heimische Termitenart. Von den neun häufigsten Termitenarten im Brasilien ist Syntermes dirus mit Abstand die größte. Ihre Soldaten wiegen durchschnittlich 117,3 Mikrogramm (sechsmal so viel wie die zweitgrößte) und sind 15,57 mm lang. Diese Art sucht nachts nach Gras, grünen und frisch abgefallenen Blättern. Diese werden so gefressen, wie sie sind, da es offenbar keine Pilzgärten gibt. Wie der Termitenstaat in Caatinga im Innern strukturiert ist, bzw. die genaue Struktur ihrer Kolonien ist noch immer unbekannt. In der gesamten Region wurde bisher noch nicht die Kammer einer Königin entdeckt. Die Forscher fanden auch keinerlei Nester, weder in noch unter den Hügeln. Herkömmliche Termitenarten bauen diese als eine Art Kamin, um ihre Kammern und Gänge zu belüften. In den Hügeln von Caatinga gibt es aber kein Belüftungssystem. Es handelt sich schlicht und einfach um Abraumhalden. Die Termiten lagern dort bis heute das beim Bau ihrer unterirdischen Tunnelsysteme anfallende Erdreich ab. Viele der Hügel in dem, nach wie vor von Termiten besiedelten Gebiet liegen versteckt im Buschwerk der Caatinga-Landschaft. Sie kommen nur zum Vorschein, wenn das Unterholz beseitigt wird.

Ein Termitenstaat kann mehrere Millionen Individuen umfassen und besteht normalerweise aus drei spezialisierten Gruppen oder „Kasten“. All diese Kasten umfassen meist beide Geschlechter. Neben einem Fortpflanzungspaar gibt es geschlechtlich verkümmerte und meist blinde männliche und weibliche Arbeiter, die u. a. Brutpfleger, Nestbauer und Nahrungsbeschaffer sind. Nestwächter („Soldaten“) mit einem großen Kopf und einem kräftigen Kiefer schützen den Termitenbau. Ein Termitennest wird bei allen Arten im Regelfall durch ein geflügeltes Weibchen und ein geflügeltes Männchen begründet. Diese werden nach erfolgreicher Koloniegründung als „Königin“ und „König“ bezeichnet. Im Unterschied zur Ameisenkönigin muss die Termitenkönigin damit sie kontinuierlich Eier legt, immer wieder neu begattet werden, daher lebt sie dauerhaft mit dem „König“ zusammen. (2009 wurde entdeckt, dass bei zumindest einer Art alternativ auch parthenogenetische Fortpflanzung (Jungfernzeugung) vorkommt. Eine Begründung von neuen Kolonien durch Spaltung, d. h., Abspaltung eines Teils der vorhandenen Kolonie (wie bei Honigbienen) findet im Normalfall nicht statt (es gibt aber Ausnahmen, v. a. bei Reticulotermes und Mastotermes). Einige Arten bilden auch Satellitennester aus, die vom Mutternest abhängig bleiben. Das riesige unterirdische Königreich der Termiten in Caatinga aber bleibt ein Geheimnis.