Das Pandora Virus
Riesenviren sind DNA-Viren aus dem Phylum Nucleocytoviricota. Die Viren sind so groß wie ein Bakterium und in Aussehen und Erbgut völlig fremdartig. Der Stamm der Nucleocytoviricota umfasst eine heterogene Gruppe meist großer dsDNA-Viren, die eine Reihe bestimmter Gene aufweisen, die gewöhnlichen Viren fehlen. Riesenviren wurden bereits 1997 und 2008 entdeckt, jedoch nicht als Viren erkannt. Ihre Gene ähneln keiner bisher bekannten Lebensform, auch mit anderen Megaviren scheinen sie kaum verwandt. Ihre Herkunft ist daher ein völliges Rätsel.
Kürzlich wurden zwei neue Riesenviren entdeckt, die die Grenze zwischen Viren und Lebewesen noch weiter verschieben. Eines davon befand sich im Sediment einer Flussmündung vor der Küste von Chile, das andere im Schlamm eines Tümpels nahe der australischen Stadt Melbourne. Beide Viren leben parasitär in einzelligen Amöben. Obwohl das eine aus dem Salzwasser das andere aus Süßwasser stammt, gehören sie doch zu selben Gattung. Weil sie so einzigartig waren wurden sie Pandoraviren (Pandoravirus salinus und Pandoravirus dulcis) getauft. Das Genom beider Viren ist mit 2,8 und 1,9 Millionen Basenpaaren Länge rund doppelt so umfangreich wie das aller bisher bekannten Virenformen. Auch in der Anzahl der darin kodierten Protein-Bauanleitungen übertreffe siemit 2.556 Genen die bisher für Viren bekannte Obergrenze um das Zweifache. Das Virion (Virusteilchen) besitzt Ausmaße von etwa einem Mikrometer Länge und 0,7 Mikrometer Breite, ist oval geformt und hat eine Öffnung an einem Ende.
93 Prozent der Gene dieser Pandoraviren sind völlig fremdartig und lassen sich auf keinen bekannten Zellstammbaum zurückführen. Die Viren könnten von einer bisher unbekannten Urzeitzelle abstammen, die das bisherige Modell irdischen Lebens nun infrage stellt. Ein internationales Forschungsteam hatte bereits 2014 und 2015 funktionsfähige Riesenviren im Permafrost entdeckt. Die Forscher konnten 13 Viren, die tausende Jahre lang im Permafrost konserviert waren, im Labor reaktivieren. Eines der sogenannten „Zombie-Viren“ sogar seit 50.000 Jahren im Eis schlummern. Doch wie kann es sein, dass Viren, die so lange inaktiv waren, mehrere tausend Jahre später wieder aktiv werden? Die Forscher haben die Viren mit der Amöben-Gattung Acanthamoeba castellanii geködert. Das Ergebnis: Alle Viren wurden virulent und befielen die Amöben. Sie gehören zu fünf vorgeschlagenen Viren-Gattungen, die noch nicht vom International Committee on Taxonomy of Viruses offiziell aufgenommen wurden: Cedratviren, Pithoviren, Pacmanviren, Megaviren und Pandoraviren. Dass Viren, die eingefroren waren, nach dem Auftauen wieder aktiv werden, ist nichts Neues. Es ist die gängige Methode, Viren für die Forschung bei Minusgraden zu lagern. Wie lange die Viren infektiös blieben, sobald sie den Bedingungen in der Natur ausgesetzt sind, ist jedoch unklar.