Tiahuanaco
Die Ruinenstätte Tiahuanaco (Tiwanaku) liegt am Río Tiwanaku in Bolivien ca. 15 km südöstlich des Titicacasees. Als eine der wichtigsten archäologischen Stätten Südamerikas wurde sie im Jahr 2000 ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen. Erst etwa 7 % der einstigen Stadt wurden freigelegt und von Archäologen untersucht.

Das historische Tiwanaku war das religiöse und administrative Zentrum von Prä-Inka-Kulturen rund um den Titicacasee in der Zeit von 1500 v. Chr. bis 1200 n. Chr. In seiner Blütezeit reichte der Einfluss von Tiwanaku von der Atacama-Wüste an der pazifischen Küste bis zur Provinz Cochabamba sowie Teilen des heutigen Argentiniens. Am Ende des ersten Jahrtausends führte eine ungewöhnlich langandauernde Dürreperiode dazu, dass die Stadt für viele Jahre verlassen wurde. Als die Inka das Gebiet erreichten, war Tiwanaku bereits verlassen. Die Tiwanaku-Architektur (insbesondere der Pumapunku-Stil) weist sowohl technische als auch architektonische Merkmale auf, die nach heutigem Stand des Wissens für die damalige Zeit einzigartig waren. Weder in der Architekturgeschichte der Anden noch sonst wo auf der Welt finden sich bekannte Vorläufer. In dem Teil der archäologischen Fundstätte Tiwanaku der als Pumapunku-Komplex bekannt ist, wurde jeder Stein der Gebäude so präzise gefertigt, dass er exakt und ohne Spalten zum Nachbarstein passt. Das Mauerwerk zeichnet sich durch ebene Flächen, geometrische Formen, präzise Kanten und innere rechte Winkel aus. Die Präzision, mit der die Winkel angewendet wurden, ist ein Indiz für das hoch entwickelte Wissen über Steinbearbeitung und Geometrie. Alle Forschungsreisenden, die je die Ruinenstätte besuchten, waren von den Ruinen, der Größe der Steine, die vor Ort verwendet wurden, und der Präzision, mit der die Steine bearbeitet worden waren, beeindruckt. Niemand konnte erklären, wie die Steine bewegt oder mit welchen Werkzeugen sie geformt wurden.
Viele dieser Verbindungen zwischen den Steinen sind so präzise, dass noch nicht einmal eine Rasierklinge dazwischen passt. An den bis zu 130 t schweren Steinblöcken fallen die Krampenfassungen auf, in die I -förmige Krampen, aus einer einzigartigen Kupfer-Arsen-Nickel-Bronze-Legierung einlegt waren, um die tonnenschweren Platten zu verklammern.
Das eigentliche Geheimnis von Tiahuanaco liegt in einigen seiner Strukturen – und den astronomischen Ausrichtungen dieser Strukturen. Diese deuten auf eine wahrscheinliche Bauzeit hin, die weitaus älter ist als jede andere monumentale archäologische Stätte in ganz Südamerika. Bisher wurde erst ein Bruchteil der Anlage von Archäologen freigelegt. Ausgegraben wurden z. B. der Patio Hundido („versunkener Hof“), das Doppeltor der Kalasasaya-Plattform, der Ponce-Monolith, der Mönch-Monolith, die Puerta de la Luna („Mondtor“), der Akapana-Pyramide und vor allem das Sonnentor. Dieses Wunderwerk der Steinbearbeitung ist 2,85 m hoch und 3,82 m breit und wurde aus einem einzigen Andesitblock herausgehauen.

Die Figuren, die den Stein schmücken, sollen astronomische Konnotationen haben und menschenähnlichen Wesen mit Flügeln und eingerollten Schwänzen ähneln, die scheinbar rechteckige Helme tragen. Auf ihm findet sich auch ein herausgearbeitetes Fries mit einer Gottheit (vermutlich der Schöpfergott Viracocha), die zwei Schlangenzepter in den Händen hält. Das Gesicht wird von einem strahlenförmigen Kopfputz umrahmt. Ein ähnliches Motiv befindet sich auch auf der Raimondi-Stele aus der archäologischen Stätte Chavín de Huántar in Peru. Auf der Frontseite ist ein mythisches Mischwesen, wahrscheinlich eine peruanische Gottheit abgebildet. Die Stele steht im Museo Nacional de Arqueología, Antropología e Historia del Perú in Lima. Das zentrale Stilelement am Sonnentor wird gerahmt von 48 Reliefs im Profil wiedergegebener kniender oder laufender „Vogelmenschen“, die jeweils eine Art Zeremonialstab in Händen halten. Was diese geflügelten Figuren auf dem Relief zu bedeuten haben ist, bis heute ein Geheimnis. Das Tor selbst diente möglicherweise astronomischen oder astrologischen Zwecken.
Der Grund, warum Tiwanaku bei den indigenen Völkern als heilig angesehen wird, ist die Rolle von Tiwanaku bei der indigenen Schöpfungsgeschichte (Genesis) in der Andenwelt. Sie erzählt von einer vormenschlichen Welt der Dunkelheit (da Sonne und Mond noch nicht erschaffen worden sind), die durch den Erschaffer Wiraqucha Pachyachachic (Erschaffer aller Dinge), der als unsichtbarer Herr beschrieben wird, zerstört wird. Nach dem Mythos stieg Wiraqucha aus dem Titicacasee empor und zerstörte diese Welt durch ein Inferno und eine Sintflut. Während Wiraqucha emporstieg, begannen sich bei Tiwanaku „Tag und Nacht“ zu formieren und er befahl, dass sich „die Sonne in ihre Bahn begeben soll“. Er begab sich nach Tiwanaku und erschuf dort Riesen, Menschen, Tiere und alle anderen Dinge. Nachdem er die Bewohner und die Riesen von Höhlen, Flüssen und Quellen rief, die über die mystische Landschaft der Schöpfungszeit verstreut waren, verwandelte er einige der Riesen wegen ihres gotteslästerlichen Verhaltens aus Wut in Stein. Die Ursünde bestand also in einer unzureichenden Huldigung des Schöpfers. Zwei Überlebende, die zusammen mit Wiraqucha in Tiwanaku blieben, wurden gesandt, um eine neue Rasse von Menschen im Namen des Schöpfers hervorzurufen.
Hauptstrukturen von Tiwanaku

Die Akapana-Pyramide ist eine stark erodierte Pyramide mit sieben Ebenen, die an einer Seite einige 200-Meter misst und fast 17-Meter hoch ist. Die Pyramide orientiert sich genau an den Himmelsrichtungen. Jede, der sieben Ebenen besteht aus perfekt geschnittenen und präzise zusammengefügten Blöcken. Wie Ausgrabungen gezeigt haben, befindet sich unterhalb der Anlage ein monumentales System miteinander verbundener oberflächlicher und unterirdischer Kanäle. Diese Kanäle brachten das auf dem Gipfel gesammelte Wasser nach unten und durch die sieben Ebenen, wo es in ein großes unterirdisches Abflusssystem unter dem zeremoniellen Kern von Tiahuanaco floss und und schließlich in den Titicacasee mündete. Bei der als Puma Punka bekannten Struktur, scheint es sich um die Überreste eines großen Kais und eines massiven, vierteiligen, jetzt eingestürzten Gebäudes zu handeln. Der Titicacasee grenzte vor langer Zeit an das Ufer von Tiahuanaco, das nun zwölf Meilen landeinwärts vom See liegt. Einer der Bauklötze, aus denen der Pier gebaut wurde, wiegt geschätzte 440 Tonnen und mehrere andere Klötze wiegen zwischen 100 und 150 Tonnen. Der Steinbruch für diese riesigen Blöcke befand sich am westlichen Ufer von Titicaca, etwa zehn Meilen entfernt. In der antiken Andenwelt ist keine Technologie bekannt, die Steine von solch massivem Gewicht und Größe hätte transportieren können.
Die Kalasasaya-Struktur, ein rechteckiges Gehäuse, das etwa 450 Fuß (0,14 km) mal 400 Fuß (0,12 km) misst, wurde von einer Reihe vertikaler Steinsäulen (der Name Kalasasaya bedeutet „die stehenden Säulen“) abgegrenzt und hatte eine Ost-West-Ausrichtung. Anhand von Messungen der Sichtlinien entlang der Steinsäulen und der Ausrichtung der Kalasasaya-Struktur zeigte sich, dass die Ausrichtung auf einem astronomischen Prinzip beruhte, das Astronomen als Schrägstellung der Ekliptik kennen. Dieser Ausdruck bezieht sich auf den Winkel zwischen der Ebene der Erdumlaufbahn und dem des Himmelsäquators, der gegenwärtig ungefähr 23 Grad und 27 Minuten entspricht. Die Neigung der Schräge ändert sich über lange Zeiträume hinweg sehr langsam. Die zyklische Variation liegt zwischen 22-Grad, 1-Minute und 24-Grad, 5-Minuten über einen Zeitraum von 41,000-Jahren oder 1-Grad in 7000-Jahren. Die Neigung der Ekliptik, die zum Zeitpunkt des Baus der Kalasasaya bestimmt werden konnte, betrug 23 Grad, 8 Minuten und 48 Sekunden. Basierend auf diesen Berechnungen wurde der Bau der Kalasasaya und Tiahuanaco auf 15.000 v. Chr. datiert. Dieses Datum wurde später von führenden Astronomen verschiedener renommierter Universitäten in Deutschland bestätigt. Die Schlussfolgerung aus diesem Ergebnis ist sensationell. Tiahuanaco kann (zusammen mit Teotihuacan in Mexiko, Baalbek im Libanon und der Großen Cheops-Pyramide in Ägypten) ein übrig gebliebenes Zeugnis einer längst verlorenen Zivilisation sein. Karten wie die Piri-Reis-Karte von 1513 und die Oroteus-Finaeus-Karte von 1531 stellen die Küstenlinie Südamerikas dar und zeigen auf derselben Karte genau die subglaziale Topografie der nahe gelegenen Antarktis unter ihrer großen Eisschicht. Beide Karten haben Anmerkungen an ihren Rändern, die belegen, dass sie von viel früheren Quellen kopiert wurden. Das lässt Rückschlüsse auf eine sehr alte, weltweite Kultur zu, welche in ferner Vergangenheit einen großen Teil der Erde beherrscht haben muss und diesen Großraum kartografisch erfasste.
Der 3 m große Ponce-Monolith steht innerhalb der Ruinenstätte Tiahuanaco im Zentrum der Kalasasaya-Struktur. Er gehört zusammen mit dem Bennett- und dem Mönch-Monolith zu den „großen drei“ Monolithen der Tiahuanaco-Kultur. Die Monolithen zeigen menschliche Figuren. Möglicherweise sind es Repräsentationen der Vorfahren der Herrscherlinie von Tiahuanaco. Die Ponce-Stele hält in der linken Hand einen traditionellen Tiahuanaco-Trinkbecher, den Qiru und in der rechten Hand ein Schnupftablett. Außerdem trägt sie ein Stirnband. Der Bennett-Monolith ist eine 7,3 m große Stele, die ebenfalls in der Ruinenstätte Tiahuanaco gefunden wurde. Sie ist die höchste je im Andenraum gefundene Stele. Er wurde im Patio Hundido („versunkener Hof“) gefunden und auf 373 n. Chr. datiert. Auch dieser Monolith hält in der einen Hand einen Qiru und in der anderen ein Schnupftabak-Tablett. Am Bennett-Monolith sind die „körperlosen Köpfe“ zu sehen, die ebenso am Sonnentor vonTiahuanaco (siehe oben) abgebildet sind. Der Mönch-Monolith ist 2,5 m (mit Sockel über 3 m) groß. Auch er hält in seinen Händen zwei Objekte, von denen das Objekt, welches er in seiner linken Hand hält, ein Qiru zu sein scheint und in der rechten Hand einen Gegenstand, der als Schnupftabaktablett inklusive Röhrchen zum Inhalieren gedeutet wird. Westlich vom Pumapunku-Vorplatz wurde ein weiterer Monolith gefunden, der 2,7 m große Pumapunku-Monolith. Er trägt ein Kleidungsstück, das einer Tunika ähnelt und durch einen aufgeweiteten, ungeteilten unteren Teil unterhalb des Gürtels gekennzeichnet ist, mit Linien, die Ärmel entlang des Rumpfes oder der Arme anzeigen.