Die Schatzsuche
Schatztheorien


Die Jacobi-Theorie: Anfang der Siebzigerjahre befasste sich der Mainzer Stadtarchitekt und Stadtbildpfleger Hans Jörg Jacobi mit dem Nibelungenschatz. Im Nibelungenlied hieß es „da zem Loche“, habe Hagen das Gold der Burgunden versenkt. Der Eigenname „Loche wurde von Jacobi als Lochheim interpretiert. Im Mittelhochdeutschen wurden nur Eigennamen großgeschrieben. Auf einer alten Flusskarte entdeckte Jacobi einen Ort namens Lochheim, der ungefähr 15 Kilometer nördlich von Worms lag und im 13. Jahrhundert durch ein Hochwasser vernichtet wurde. Dort an dieser Stelle, die schwarzer Ort genannt wird, in der Nähe von Erfelden, macht der Rhein eine 180-Grad-Schleife. Neueste geologische Erkenntnisse bestätigen, dass der Schatz der Nibelungen heute, dank Rheinbegradigung auf dem Land, unter der Erde liegen muss. Jakobi ließ auf dem fraglichen Gelände eine Bodenbohrung durchführen. In zehn Metern Tiefe traf der Bohrmeisel auf ein hartes Objekt. Es gelang Teile davon an die Erdoberfläche zu fördern. Untersuchungen ergaben, dass es sich um Marmor handelt, der aus Belgien stammt. Jacobi nimmt an, „das der Schatz mit einer Marmorplatte oder einem Marmorblock abgedeckt wurde“. Wie aber kommt die Abdeckung über den Schatz, wenn dieser im Rhein versenkt wurde. Interessante Frage. Vom Schatz selbst fand Jakoby übrigens nichts. Weitere Grabungen wurden bisher vom Eigentümer des Geländes, einem Golfclub untersagt.
Gegenargument: Warum hätte Hagen den Schatz ausgerechnet an der tiefsten Stelle im Rhein versenken sollen, wenn es im Nibelungenlied doch heißt: „Er hoffte, sie könnten ihn eines Tages wieder nutzen“. Der Hort wäre unwiederbringlich verloren gewesen. Genau dies jedoch sollte mit der Verbringung verhindert werden. Es ist kaum anzunehmen, dass die Burgunder über die technischen Voraussetzungen für komplizierte Unterwasserbergungen verfügt haben. Bergungsarbeiten, die uns auch heutzutage in solchen Flussgewässern noch vor große technische Probleme stellen.
Auch wenn sich der Rheinverlauf nachweislich im Laufe der Jahrhunderte geändert hat, und man auch weiß, dass der Schatz, wenn überhaupt, heute auf Land liegen muss, ist dem entgegenzuhalten, dass die 180-Grad Rheinschleife schon zur Römerzeit bestand. Vor der Rheinregulierung hat sich der Fluss sein Bett noch selbst gesucht, musste aber aufgrund der geologischen Gegebenheiten an der Rheinschleife schon immer um 180-Grad abbiegen. Der Aufprall der Wassermassen hat dazu geführt, dass der Fluss an dieser Stelle an seinem rechten Ufer eine außerordentliche Untiefe (ca. 20 m) auswusch, die Schwarzer Ort genannt wurde. Hinter der Untiefe entstand ein Prallhang hinter dem der Rhein nicht geflossen sein kann. Der Schwarze Ort galt wegen der starken Strömung unter Schiffern als gefährlich. Wenn Hagen den Schatz an dieser Stelle im Rhein versenkte, dann müsste er noch dort liegen. Taucher haben den betroffenen Flussabschnitt mehrmals mit elektroakustischen Geräten bzw. funk-gestützte Ortung (Echolot und Radar) ausgelotet, jedoch nichts gefunden. Außerdem wären bei einer Versenkung im Hauptstrom mit Sicherheit vereinzelt verschiedene Stücke wieder aufgetaucht. So z.B. der Fall beim Silberschatz des bayrischen Kurfürsten Maximilian I, der seit dem 28. Mai 1648 verschollen ist. Der Schatz versank bei einem Schiffsunglück im Inn. Einzelne Teile davon wurden im Jahr 1925 unterhalb des Unglücksortes gefunden. 1929 wurden weitere Teile (2 schwere Silberteller) fast 1 Km unterhalb des ursprünglichen Unglücksortes gefunden und das, obwohl der Silberschatz für den Transport in Kisten verpackt war. Jakobys Lochheim wird erstmals im Jahr 770 als „uilla Locheim“ im Lorscher Kodex erwähnt. Eine andere historische Namensgebung aus dem Jahr 792 lautet „superiori Locheim (Ober-Lochheim)“. Doch Lochheim liegt ziemlich abseits der als schwarzer Ort bekannten Rheinschleife. Die Orte Erfelden oder Stockstadt liegen wesentlich näher an der Rheinschleife. Wenn der Versenkungsort tatsächlich hier gewesen sein soll, hätte der Verfasser des Nibelungenliedes wahrscheinlich einen dieser Orte erwähnt und nicht Lochheim. Das heute noch existierende Erfelden wird erstmals 779 n. Chr. urkundlich im Lorscher Kodex anlässlich einer Stiftung an das Kloster Lorsch als Dorf „Erifeldun“ erwähnt. Desgleichen der heute auch noch existierende Ort Stockstadt, im Lorscher Kodex wird Stockstadt 830–850 erstmals als „Stochestat“ urkundlich erwähnt. Als das Nibelungenlied im 10. Jahrhundert verschriftlicht wurde, existierten beide Orte schon. Der Verfasser des Nibelungenliedes hätte sie also kennen können und sicher erwähnt.
![Mittelalterl. Gaue mit altem und neuem Rheinlauf, Urheberschaft: von Edmund Ritscher (Detailvergrößerung, eigene Bearbeitung) [CC0], via Wikimedia Commons Mittelalterl. Gaue mit altem und neuem Rheinlauf](https://kompendium-des-wissens.de/wp-content/uploads/2025/11/Screenshot-2025-11-02-144132.png)
Die Siegert-Theorie: Helmut Siegert aus Walldorf ist ein passionierter Wünschelrutengänger. Als er begann, sich mit der Nibelungensage zu befassen, wollte er zunächst anhand der topografischen Nachweispunkte versuchen, die Örtlichkeit, an der der Schatz versteckt sein könnte, einzugrenzen. Wenn Hagen den Schatz mit der Absicht wegbrachte, sich ihn später selbst anzueignen, dann hätte er logischerweise eine Stelle gewählt, die er kannte und unter Kontrolle hatte, also leicht erreichen konnte. Nach Siegerts Theorie musste der Ort der Verbergung aus strategischen Gründen also nicht zu weit von Worms entfernt liegen, und in der Nähe sollte eine Burg vorhanden gewesen sein. Außerdem mussten die anderen im Nibelungenlied genannten Örtlichkeiten in akzeptabler Entfernung aufzufinden sein. Etwa vier Kilometer rheinabwärts fand Siegert da, wo das Flüsschen Weschnitz in den Rhein mündet, die Überreste einer Burg, die ehemalige Festung Stein auch „Zullestein“ genannt. Die Reste der Burg liegen in der Nähe des heutigen Rheinufers, südlich der Weschnitzmündung und stehen unter Denkmalschutz. Die Geschichte der Burg Stein geht auf die Römerzeit zurück. Die Römer legten dort einen Burgus, ein kleines turmartiges Kastell, mit Schiffsanlegestelle, an der Mündung des FlüsschenWeschnitz in den Rhein an. Es war eine Anlaufstelle für römische Patrouillenschiffe, die auf dem Rhein kreuzten und Wache hielten. Denn der Rhein war die Reichsgrenze die abgesichert werden musste. In Friedenszeiten lebten zwischen 35 und 60 Personen im Burgus. Sie nahmen meist Beobachtungsaufgaben wahr. Nachforschungen ergaben, dass sich an dieser Stelle ein römisches Hafenbecken unter der Erde befand, welches angeblich auch von den Burgunden genutzt worden war. Dieses Hafenbecken konnte nach Bedarf geflutet oder trockengelegt werden.

Auch den im Nibelungenlied genannten Waskenwald (Waschenwald) konnte Siegert lokalisieren. Das Flüsschen Weschnitz hatte in früheren Zeiten Waschnitz, bzw. Wasche geheißen. Daraus konnte abgeleitet werden, dass das gesamte Hinterland, das in früher Zeit sicherlich bewaldet war, als Waschenwald bezeichnet wurde. Auf einer alten topografischen Karte fand er, wenige Kilometer von der Weschnitz entfernt, zwei kleine Wasserlöcher, die mit Altloch und Neuloch bezeichnet wurden. Siegert brachte diese Flurbezeichnungen mit der Bezeichnung Loche aus dem Nibelungenlied in Verbindung. Wichtigstes Indiz für seine Theorie war jedoch ein größeres Edelmetallvorkommen bei der ehemaligen Festung Stein, das er angeblich mit seiner Wünschelrute geortet haben will. Das mag man glauben oder nicht. Da ihm dort aber Probebohrungen von den zuständigen Behörden für Denkmalschutz verweigert wurden, ist er den endgültigen Beweis, dass er den Nibelungenschatz entdeckt hat, bis heute schuldig geblieben. Gegenargument: Es spricht zwar manches, für diese Theorie, nicht zufriedenstellend beantworten konnte Siegert aber die Frage was mit der entscheidenden Strophe im Nibelungenlied: „Er sancte in da ze Loche allen in den Rin“ gemeint war. Sein Argument, mit da ze Loche seien zwei kleine Teiche, das Altloch und das Neuloch bei Groß-Rohrheim gegenüber von Worms gemeint, ist nicht überzeugend.
Die Patzwald-Theorie: Nach Meinung des Nibelungenforschers Rudolf Patzwald, war mit da ze Loche allen in den Rin kein Ort Lochheim am Rhein gemeint. Jahrelang studierte Patzwald alte Feld- und Flurnamen, sichtete altes Kartenmaterial. So kam er zu der Erkenntnis, dass das heutige Worms nicht das Worms der Sage ist. Nach seiner These handelt es sich vielmehr um Wormersdorf, etwa 20 Km von Bonn entfernt. Mit dem „Loche“ sei dann nämlich der Rheinbacher Ortsteil Loch gemeint. Beim Studium der Karten stieß Patzwald auf die alte Flurbezeichnung „Unten in dem Loche“ und eine weitere Flur die man „Auf den Höhlen“ nennt. Hieraus schloss er auf ein Höhlensystem, in dem der Nibelungenschatz verborgen sein könnte. Beweise für seine Theorie fand er vor Ort. So traf er dort einen ehemaligen Bergmann, hinter dessen Haus tatsächlich Eingänge zu einem unterirdischen Höhlensystem existierten. Das alles bestärkte ihn in seiner Theorie, dort könnte tatsächlich der Nibelungenschatz verborgen sein. Gegraben hat dort aber noch keiner.
Gegenargument: Wormersdorf wurde erst im 9. Jahrhundert besiedelt. Es gibt auch weder schriftliche Quellen noch archäologische Funde, die darauf hindeuten könnten, das sich im Raum von Wormersdorf und Rheinbach jemals Burgunder aufgehalten haben. Gegen seine Theorie spricht auch, das Wormersdorf im Gegensatz zu Worms keinerlei geschichtliche Bedeutung hatte. Auch sind auf der topografischen Karte dieser Gegend keine Höhlen ausgewiesen.

Und zu guter Letzt gibt es noch die Rädle-Theorie. Klaus Rädle identifiziert Lochem im Nibelungenlied als den ausgegangenen Ort Lochheim bei Sandhausen. Diese recht neue Theorie erscheint auf den ersten Blick wenig realistisch. Gegen Lochheim bei Sandhausen spricht, dass es unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse ca. 37 km von Worms entfernt liegt. Das Schatz-Versteck liegt damit eigentlich zu weit weg für Hagen, der den Schatz in Abwesenheit der Burgunder-Könige raubte, um ihn zu verstecken. Da die Könige jederzeit zurückkehren konnten, muss man dem listigen Hagen wohl unterstellen, dass er den Schatz schnell und auf kürzestem Weg verstecken wollte. Auf den zweiten Blick wird jedoch deutlich, das Lochheim bei Sandhausen gar nicht so unrealistisch ist.
Diese Theorie wird auch vom Autor dieser Recherche favorisiert, die er bereits im Jahr 2008 schon einmal auf einer anderen, nicht mehr aktiven Website veröffentlicht hatte.
Die Schatzsuche
Die topografischen Merkmale der Landschaft, die Geländeformationen und Gewässer zur Zeit der Burgunder haben sich in den vielen Jahrhunderten danach gravierend verändert. Will man den Schatz der Nibelungen suchen, muss man zunächst die Örtlichkeit, an der der Schatz versteckt sein könnte, anhand der im Nibelungenlied genannten Ortsbezeichnungen in die heutigen geografischen Gegebenheiten einordnen. Einige der Gebiete nördlich und südlich des Neckars und auch links des Rheins müssen im Nibelungenlied eine entscheidende Rolle gespielt haben, da Örtlichkeiten und Ortsnamen aus dieser Gegend erwähnt werden. Die Ortsangaben in den Fassungen B und C stimmen jedoch nicht überein.
Im Nibelungenlied wird die rechtsrheinische Anwesenheit der Burgunder nur in der Handschrift C belegt. (C∗1164): „Ein reiches Fürstenkloster stiftete Frau Ute dort zu Lorsch das Kloster“, C∗1167): „Da stand für Frau Ute ein Siedel Hof bereit zu Lorsch bei dem Kloster“. In den Strophen, die der Bearbeiter am Ende des 19. Abenteuers hinzugefügt hat, erzählt er auch von einem beabsichtigten Umzug Kriemhilds nach Lorsch. Diese Strophe ist aber fragwürdig, da das Kloster Lorsch erst im Jahr 764 gegründet wurde, d. h. ca. 325 Jahre nach dem Burgunderreich am Rhein. Ein archäologisches Indiz für eine frühere Besiedelung könnte jedoch sein, dass im Kloster Lorsch 1998 Fundamente und Grundmauern entdeckt, die möglicherweise noch aus der Römerzeit stammen. Einer im 5. Jahrhundert dauerhaften rechtsrheinischen Besiedelung durch die Burgunder steht jedoch entgegen, dass auf der rechten Rheinseite ständige Überfälle, Gefangennahme oder Schlimmeres durch die dort grenznah residierenden Alemannen drohten. Die Zeit des 3. bis 5. Jahrhunderts gilt als die erste Phase der alemannischen Landnahme, sie ist Teil eines längeren Prozesses, zu dem auch die Ansiedlung von Föderaten auf römischem Boden gehörte. Ein Großteil der römischen Niederlassungen und Einzelhöfe auf der rechten Rheinseite war ab dem Limesfall (260) von seinen Bewohnern verlassen worden, da die ständige Bedrohung durch die Alemannen zu groß war. Vermutlich war die Bevölkerung nördlich des Neckars in den unsicheren Zeiten vor der endgültigen Aufgabe des Landes (369 n.Chr.) bereits auf die linke Rheinuferseite übergewechselt oder hatte sich innerhalb der Stadtmauer von Ladenburg niedergelassen. Die Gebiete rechts des Rheins, das sogenannte Dekumatland, waren im 5. Jh. n. Chr. zu Zeiten der Burgunder zwar weitläufig, aber dünn besiedelt. Die Gebiete gehörten aus römischer Sicht bereits Ende des 3. Jahrhunderts Sicht zur Alemannia, obwohl Rom nie formal auf seine Ansprüche auf das Dekumatland verzichtet hatte und noch bis weit ins 4. Jahrhundert hinein vom Kriegshafen Speyer Feldzüge dorthin unternahm. Die Alemannen nützten nur einen kleinen Teil des ehemals römischen Gebietes und hatten ihre Siedlungen weitläufig (jeweils ca. 2,5 – 3 km voneinander entfernt) angelegt. Ihre Siedlungen lagen aus strategischen Gründen, schon wegen immer noch drohender römischer Feldzüge, auch nicht grenznah am Rhein, sondern im Hinterland im undurchdringlichen Wald, der Schutz bot. Ursprünglich römische Ansiedlungen wurden auch gemieden, denn Steinbauten liebten die Alemannen nicht. Statt verlassene Römerhäuser zu benutzen oder beschädigte zu reparieren, bevorzugten sie weiterhin eigene Grubenhäuser von bescheidenem Ausmaß. Die Burgunder hingegen übernahmen grundsätzlich die Bauten der Römer, wohin sie auch gelangten.
Wo aber wurde der Schatz versteckt? In der Strophe (B∗1137) heißt es: „Er hoffte davon, später Nutzen zu haben“. Das kann nur heißen, der Schatz sollte wiederbringlich verborgen werden. Des Weiteren heißt es in Strophe (B∗2368): „Denn ich habe wahrlich geschworen, dass ich den Hort nicht zeige, solange einer meiner Herren lebt: solange werde ich ihn niemandem geben“. Auch das ergibt nur Sinn, wenn der Schatz für Hagen noch verfügbar war. Das Nibelungenlied gibt mit Ausnahme des angeblichen Versenkungsorts leider keine weiteren Hinweise. Wie die archäologischen Funde aber zeigen, erstreckte sich das Herrschaftsgebiet der Burgunder im 5. Jahrhundert vermutlich linksrheinisch von Alzey über Worms bis Speyer. Für einen schnellen Wegtransport des Schatzes aus Worms kommen also zunächst einmal Speyer und Alzey infrage. Wenn Hagen den Schatz mit der Absicht wegbrachte, sich ihn später selbst anzueignen, dann hätte er logischerweise einen Ort gewählt, den er kannte und unter Kontrolle hatte. Das wäre wahrscheinlich sein Lehen gewesen. Die Römer kannten bereits ein Lehnswesen. Es war allgemein Sitte an verdiente römische oder einheimische Veteranen Grundbesitz, sog. Lehen zu vergeben, die diese bewirtschaften konnten. Die am häufigsten vorkommende Form eines Lehens war das Landgut. Ein typisches römisches Landgut bestand aus einem Gutshaus (Villa Rustica) oder einer Burg. Dazu kamen noch umliegende Felder, Weiden und Wald. Der Lehnsherr, bewohnte das Gutshaus oder die Burg mit seiner Familie, der Dienerschaft und seiner Gefolgschaft. Die Gefolgschaft bestand im Regelfall aus Rittern, die ihrem Lehnsherrn militärisch verpflichtet waren, also Schutz bieten sollten. Je größer das Landgut, desto größer war auch die Gefolgschaft des Gutsherrn. Auch die Germanen kannten eine ähnliche Organisation, das Gefolgschaftswesen, eine freiwillige, durch Treueid gefestigte Vereinigung wehrfähiger Männer um einen Führer, meist einen König oder Gaufürsten. Der Gaufürst vergab Land zur Nutzung an seine Gefolgsleute. Das Land wurde nur leihweise überlassen, sicherte den Gaufürsten der germanischen Stämme aber die Gefolgschaft ihrer Krieger. Daneben gab es zur Römerzeit das Klientelwesen, d. h. die Einrichtung von Klientelstaaten. Auch in Germanien gab es Klientelstaaten, hauptsächlich im Gebiet der mittleren Donau, z.B. Raetia eine römische Provinz, die das nördliche Alpenvorland zwischen Schwarzwald, Donau und Inn umfasste. Oder Moesia (Gebiet der Thraker) und Dacia (Gebiet der Daker) an der unteren Donau. Diese Provinzen waren formal unabhängig, wurden aber politisch von Rom kontrolliert. Sie hatten ihre eigenen Herrscher, durften aber keine eigenständige Außenpolitik betreiben. Sie waren außerdem zur Heerfolge verpflichtet und mussten Rom also im Falle eines Krieges unterstützen. Für die Lehnsmänner (Vasallen) bestand die Treuepflicht gegenüber ihrem König im Wesentlichen aus zwei Lehnsdiensten. Der eine Lehnsdienst war die Heerfahrt. Der andere Lehnsdienst bestand aus der Hoffahrt, d.h. der Pflicht des Vasallen, auf den Ruf des Königs bei Hofe zu erscheinen und mit Rat und Tat (consilio et auxilio) beizustehen. Im Nibelungenlied wird die Hoffahrt erwähnt. So die Strophe (B∗149): „Da erschienen die Besten, die man gerade hatte auffinden können“. Als die Burgunder auf Einladung Chriemhilds zu den Hunnen reiten wollen, sagt Hagen: „(B∗1471) Ich rate euch aufrichtig, wenn ihr am Leben bleiben wollt, so reist gut bewaffnet zu den Hunnen„. Und in Strophe (B∗1475) heißt es: „Da ließ von Tronje Hagen Dankwart den Bruder sein achtzig ihrer Recken führen an den Rhein“. Auch Volker der Spielmann musste zur Hoffahrt beitragen, wie Strophe (B∗1476) bezeugt: „Der tapfere Volker, ein adliger Spielmann, kam mit dreißig seiner Leute zu dieser Hoffahrt“. Zum einen belegen diese Strophen, dass auch die Burgunder ein Lehnswesen kannten, denn nur die Herren, die ein Lehen besaßen, konnten zum Heeresaufgebot oder zu Hoffahrten beitragen, zum anderen belegen schriftliche Quellen, dass die Burgunder im Rahmen ihres föderativen Auftrags auch Aufgaben zur Sicherung von Infrastruktur hatten und sich dadurch im Gegensatz zu den Alemannen schneller zivilisierten, Christen wurden und römische Sitten, also vermutlich auch das Lehnswesen übernahmen. Ein Lehen oder eine Gefolgschaft kam dadurch zustande, dass beide Seiten einen gegenseitigen Eid schwören, der darin bestand, dass der Lehnsherr Schutz und Treue für seine Vasallen bot, während ein Vasall seinem Lehnsherren im Gegenzug Treue und Unterstützung bieten musste. Die Unterstützung bestand in der persönlichen Teilnahme oder in der Stellung von Soldaten für Heerfahrten. Auch Sachleistungen gehörten dazu und die Anwesenheit am Hof, um dem Lehnsherren mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Gegenstand eines Lehens war häufig ein Grundstück oder eine Immobilie wie beispielsweise ein Gutshof oder eine Burganlage und militärische Gefolgschaft, d.h. die Stellung von Rittern. Für einen so wichtigen Mann wie Hagen, er war Kronvasall, engster Berater des Königs, oberster Heerführer und offenbar auch noch mit dem Königshaus verwandt (Oheim der drei Königsbrüder), kamen im Herrschaftsgebiet der Burgunder als Lehen, mit Ausnahme von Worms, das ja Königssitz war, linksrheinisch nur noch Alzey und Speyer infrage. In Alzey befand sich ein römisches Kastell (antiker Name Alteium), welches in diesem Abschnitt die Rheingrenze sichern sollte. Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. (352/353) wurde Alzey von den Alemannen unter Chnodomar niedergebrannt. Die archäologischen Funde deuten darauf hin, dass das Kastell von den Burgundern übernommen und teilweise wiederaufgebaut wurde. Burgundische Keramiken zeugen jedenfalls vom Aufenthalt dieses germanischen Stammes in Alzey. Alzey war nach dem Nibelungenlied (B∗9) aber der Stammsitz von Volker dem Spielmann, dem zweitmächtigsten Kronvasall nach Hagen. Der deutsche Archäologe Jürgen Oldenstein (*1947), zu dessen Forschungsschwerpunkten das Kastell Alzey zählte, hält Volker von Alzey sogar für den burgundischen Befehlshaber des Kastells. Daher schied Alzey als Lehen für Hagen aus. Bleibt noch Speyer. Speyer war der bedeutsamen Stellung von Hagen, als oberstem Heerführer der Burgunder sicherlich angemessen.
Speyer wird auch im Nibelungenlied in den Handschriften B und C erwähnt. In der Strophe (B∗1508) sagt der alte Bischof von Speyer zu der schönen Ute: „Unsere Freunde wollen jetzt zum Feste reiten. Gott möge ihr Ansehen dort beschützen“. Damit ist im Nibelungenlied der Bezug zu Speyer hergestellt. Speyer war zu jener Zeit tatsächlich Bischofsitz. In einer Liste von gallischen und rheinischen Bischöfen, die den Beschlüssen der Synode von 343 zustimmten, wird ein Bischof Jesses Nemetum aufgeführt. In Speyer stand zur Zeit der Burgunder auch ein römisches Kastell, das von den Römern 406/407 im Zuge der germanischen Überfälle und Zerstörungen auf der rechten Rheinseite aufgegeben wurde. Ob dieses Kastell dabei ebenfalls zerstört wurde, lässt sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, aufgrund der Größe dieser Befestigungsanlage, mit 2,5 m dicken Burgmauern, ist eine Zerstörung aber wohl eher nicht anzunehmen. Der föderative Verteidigungsauftrag der Burgunder prädestinierte Speyer als Standort burgundischer Truppen und ist daher schon aus strategischen Gründen anzunehmen. Für die Römer war insbesondere die verkehrsgünstige Lage von Speyer von Bedeutung. Die unmittelbare Nähe zum Fluss auf dem überschwemmungssicheren Hochufer war ein großer Vorteil, ebenso die nahegelegene Mündung des Neckartales in die Rheinebene, mit der Verbindung zum Hinterland. In den Stürmen der Völkerwanderungszeit erlebte auch Speyer wiederholte Zerstörungen. Um 275 n. Chr. wurde die Stadt erstmalig nahezu vollständig zerstört, und 286 unter Kaiser Diokletian wiederaufgebaut. Eine weitere Zerstörung durch einfallende Alemannen unter ihrem Fürsten Chnodomar erfolgte um 352. Im Rahmen der Rückeroberungsfeldzüge unter Constantinus II und Julian ab 355 wurde Speyer von den Römern zurückerobert und die Alemannen erst mal aus Speyer vertrieben. Die inneren Bürgerkriege des römischen Reichs hatten ab 350 zu einer massiven Vernachlässigung der Grenzverteidigung geführt. Vom rechtsrheinisch gegenüber von Speyer gelegenen Kraichgau erfolgten ständige Überfälle der Alemannen. Unter strategischen Gesichtspunkten war die Rheingrenze daher auch hier von großer militärischer Bedeutung. Speyer bot auch alle fortifikatorischen Vorteile für eine Verteidigung gegen die Überfälle der Alemannen. Im Jahr 365 eilte der römische Kaiser Valentinian I daher nach Gallien, um die dort eingedrungenen Alemannen und Burgunder zu vertreiben.
Noch 369 errichtete Valentinian den ganzen Rhein hinab Festungswerke, größere Kastelle und Burgen. Zerstörte Befestigungsanlagen wurden wiederaufgebaut. Auch Speyer wurde wieder Garnisonsort. Nach einem Truppenhandbuch (Notitia dignitatum) jener Zeit lagen in Speyer die Vindices, eine bedeutende römische Grenztruppe. Der dortige Kriegshafen mit Mauern und hohen Wällen wurde ausgebaut und eine Schiffbrücke über den Rhein gelegt. Im Bereich des Domhügels entstand die oben bereits erwähnte Festung mit 2,5 m starken Wehrmauern. Diese unter großen Anstrengungen errichteten Wehrbauten hatten nur eine kurze Lebensdauer und mussten größtenteils schon im frühen 5. Jahrhundert wieder aufgegeben werden. Nur größere Burgi und Kleinfestungen haben noch den Beginn des 5. Jahrhunderts überdauert.
Im Jahre 406 setzen Vandalen, Alanen und Sueben bei Mogontiacum (Mainz) über den Rhein, zerstören die Stadt und brannten alle römischen Kastelle zwischen Bingen und Seltz nieder. Auch Worms und Speyer wurden verwüstet. Die Römer versuchten trotz dieser Niederlagen jedoch auch weiterhin die Rheingrenze zu halten, indem sie sich mit germanischen Stämmen verbündeten und die Grenzverteidigung am Rhein diesen als Föderaten übertrugen. Den Burgundern wurde um 413 der Abschnitt zwischen Borbetomagus (Worms) und Speyer zugewiesen, die Vertragsbedingungen beinhalteten neben der Bemannung der Grenzfestungen auch die Wiederherstellung und Nutzung der Wachtürme/Burgi. Vom alten Kriegshafen in Speyer aus war ein Übersetzen burgundischer Truppen an das Ostufer des Rheins z.B. zur Römerstraße Lußheim-Wiesloch-Wimpfen problemlos möglich. Aufklärungen im Feindesland zur Erfüllung ihres föderativen Auftrags waren damit ohne größere logistische Probleme möglich. Diesen aus militärischer Sicht strategisch bedeutungsvollen Ort hätte der Burgunderkönig nur seinem mächtigsten Vasallen und oberstem Heerführer Hagen anvertraut.
Der Schatz wurde also mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Speyer transportiert.
Der Schatztransport
Wenn das Nibelungenlied die Wahrheit erzählt, dann besteht der Nibelungenschatz aus einer unvorstellbar großen Menge von Gold und Edelsteinen. So Strophe B∗1122: „Nun könnt ihr vom Hort Wunderbares vernehmen. Man brauchte 12 Rüstwagen (Lastwagen), die, was sie fassen konnten, vier Tage und Nächte vom Berg herunterbrachten. Und jeder von ihnen musste an einem Tag dreimal fahren“. Die Größe des Schatzes ist vermutlich übertrieben, aber selbst wenn nur die Hälfte wahr ist, war der Schatz immer noch groß genug, dass Hagen ihn nicht alleine beiseite geschafft haben kann. Er brauchte Helfer, um den Schatz wegzutransportieren und ausreichenden Begleitschutz.
Für den Transport des Schatzes nach Speyer kommen zwei Varianten in Betracht:
- Der Landweg
- Der Wasserweg
Er sancte in da ze Loche allen in den Rin. Die Versenkung im Rhein spricht zunächst für einen Wegtransport auf dem Wasserweg. Die Römer kannten verschiedene Techniken, um die Flüsse zu befahren. Gebräuchlich waren segeln, rudern, staken und treideln. Die Schiffsbautechniken der Burgunder waren nicht sehr entwickelt. Die ursprünglichen Schiffe waren ohne Segel, bloß Ruderschiffe. Die Burgunder nutzen für Flussfahrten auf dem Rhein daher vermutlich von den Römern zurückgelassene oder zur Verfügung gestellte Schiffe vom Typ Navis lusoria. Das waren schnelle Flussgaleeren mit Hilfssegel. Die Segelfläche betrug ca. 20 qm. Die Schiffe hatten eine Länge von 21,5 m eine Breite von 2,8 m und einen Tiefgang von 0,4 m. Die Besatzung bestand aus 32 Ruderern und zwei Männern, die das Segel bedienten. Das Schiff konnte mit Segelunterstützung eine Höchstgeschwindigkeit sogar 12 Knoten erreichen, das sind mehr als 10 km in der Stunde, war aber als Transportschiff weniger geeignet. Für den Wegtransport auf dem Wasserweg hätte Hagen aufgrund der Größe des Schatzes aber ein entsprechend großes Transportschiff benötigt. Solche Transportschiffe waren in Worms zwar sicherlich zu erhalten.
Für Hagen gab es aber gute Gründe, zunächst den Landweg vorzuziehen. Der Schatztransport musste vor allen Dingen schnell vor sich gehen. Die Fahrt flussaufwärts von Worms nach Speyer hätte zu lange gedauert. Die Geschwindigkeit der Transportschiffe war gegen die Strömung deutlich geringer als flussabwärts und damit war auch die Fahrtdauer erheblich länger. Diese Schiffe konnten mit ca. 10 Kilometern pro Stunde zu Tal fahren. Segel wurden in der Regel nur zur Unterstützung gesetzt. Für die Bergfahrt mussten die Schiffe i.d.R. zusätzlich vom Ufer aus gezogen (getreidelt) werden. Um das Schiff vom Ufer fernzuhalten, mussten dabei Schiffsknechte mit langen Staken nachhelfen. Das Treideln erforderte den Einsatz zahlreicher Helfer (Treidelknechte). Als Faustregel galt hierbei, das für ca. 15 t Schiffslast mindestens sieben bis acht Treidelknechte benötigt wurden. Um das Schiff vom Ufer fernzuhalten, mussten außerdem auch Schiffsknechte mit langen Staken nachhelfen. Da der Schatztransport geheim bleiben sollte, war Hagen sicherlich daran gelegen, so wenige Helfer wie möglich einzusetzen. Am oberrheinischen Flussabschnitt zwischen Worms und Speyer fehlten auch entsprechende Treidelpfade. Solche Treidelpfade wurden insbesondere am Mittelrhein nachgewiesen. Die Römer legten zu diesem Zweck erhöhte Uferstraßen vor allem linksrheinisch an, die gleichzeitig als Deiche dienen. Rechtsrheinisch gab es nur einige Brückenköpfe, die römische Besiedlung dort diente vor allem militärischen Zwecken. Die linksrheinische Heerstraße von Worms nach Speyer war als Treidelpfad ungeeignet, da sie zu weit entfernt vom Fluss lag. Am Oberrhein zwischen Worms und Speyer wäre das Anlegen von Treidelpfaden auch sehr schwierig gewesen, da der Rhein in diesem Flussabschnitt in vielen Windungen, ständig sein Bett wechselnd floss. Dieser Zustand war ein großes Hindernis für die Schifffahrt. Der Fluss mäandrierte durch sumpfige und dicht bewaldete Auewälder und war in viele Arme geteilt war, von denen infolge der Ufereinbrüche, der Treidelweg bald dem einen, bald dem anderen hätte folgen müssen. Sehr tiefe und enge Stellen mit verstärktem Gefälle wechselten mit Untiefen und deshalb wurden hier auch keine Treidelwege angelegt, da sie gegen den Fluss dauernd nicht zu schützen waren. Das war bereits für die Römer ein großes Problem gewesen, geschweige denn für die Burgunder. Dann wäre noch Staken übrig geblieben. Dabei wird mit langen Stangen, die in den Flussboden gestoßen werden, das Schiff mit Muskelkraft nach vorn gedrückt. Diese Fortbewegungsart war aber anstrengend – und flussaufwärts gegen die Strömung sehr langsam. Diese Variante hätte schon aufgrund der Entfernung von Worms bis Speyer mehrere Tage gedauert und war für einen schnellen Wegtransport des Schatzes nicht geeignet.
Der Landweg war entschieden schneller. Ein gutes Fuhrwerk benötigte für die Strecke Worms-Speyer (ca. 37 km) auf der damals noch gut erhaltenen linksrheinischen Heerstraße maximal 10 Stunden. Hagen konnte den Schatz daher binnen Tagesfrist nach Speyer schaffen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass der Schatz zunächst auf dem Landweg weggeschafft wurde. Zum einen konnte Hagen für den Wegtransport des Schatzes aus Worms eigene Gefolgsleute verwenden. Hagen, als königlicher Lehnsmann hatte während den Zeiten seiner Anwesenheit am Königshof sicherlich immer eigene Gefolgsleute dabei, die er einsetzen konnte. Hagens Ritter waren zwar größtenteils in Speyer stationiert, hätten aber bei Bedarf auch rechtzeitig vor dem Abtransport des Schatzes herbeigerufen werden können. Fußtruppen konnten Worms binnen 8 Stunden erreichen. Mit Pferden war die Strecke sogar in 4-5 Stunden zu bewältigen. Zum anderen war der Landweg generell auch sicherer. Da die Täler meist noch versumpft waren, kam für einen Wegtransport über Land nur ein Höhenweg in Betracht. Höhenwege liefen gerade und eben auf der Wasserscheide oder dem Hochgestade über weite Strecken hin; sie brauchten keine Brücken, berührten kein bewohntes Gebiet, boten freie Übersicht, drohten nicht mit Hinterhalt. Der Boden war fest; die Auf- und Abstiege wurden von den Pferden und den viel verwendeten einachsigen Lastkarren (Plaustrum) ohne Mühe bewältigt. Somit kommt für den Wegtransport des Nibelungenschatzes nur der alte römische linksrheinische Heeresweg, die Römerstraße Worms – Speyer infrage. Linksrheinisch waren die Römer im 5. Jahrhundert auch noch stärker präsent, die militärische Lage sicherer, die Straßen besser erhalten. Über die Römerstraße Ladenburg – Heidelberg auf der rechten Rheinseite ging der Transport sicherlich nicht, da hier bewohnte Ortschaften lagen und außerdem zur Zeit des Schatztransportes die römische Neckarbrücke wahrscheinlich zerstört war. Die Kette der ehemaligen römischen Burgi und Kastelle im nordbadischen Raum liegt an der Strecke Worms – Speyer teilweise linksrheinisch, teils rechtsrheinisch: linksrheinisch Worms, rechtsrheinisch, Mannheim-Scharhof und Mannheim-Neckarau und wieder linksrheinisch Altrip und Speyer. Ein linksrheinischer Schatztransport hätte daher keine Ansiedlungen berührt. Einzig Altrip lag an der Strecke, war jedoch nicht unmittelbar an der Römerstraße gelegen, die auf dem Hochgestade entlangführte, sondern in der Rheinniederung. Der linksrheinische Heeresweg lag mehrere Kilometer weiter östlich. Über den Heeresweg, war Speyer von der Reichshauptstadt Worms aus binnen kurzer Zeit erreichbar. Da der Schatztransport ja schnell und unauffällig vor sich gehen musste, bot der linksrheinische Heeresweg nach Speyer dafür ideale Bedingungen. Um keinen Verdacht zu erregen, war der Schatztransport vielleicht sogar als Truppentransport getarnt. Truppentransporte kamen in der damaligen Zeit häufig vor.
Aus dem Gesamtkontext der historischen Daten, archäologischen Funde und literarischen Quellen, kann man schließen, dass vermutlich Speyer der Lehnssitz von Hagen war. Dann aber ist es nur konsequent auch anzunehmen, dass Hagen den Schatz zunächst nach Speyer in seinen Kontrollbereich verbracht hat, denn dort war der Großteil seiner Gefolgsleute stationiert. Man kann des Weiteren vermuten, dass die von den Römern errichtete Burg in Speyer Wohnsitz der Gefolgsleute von Hagen war, da der föderative Verteidigungsauftrag der Burgunder auch die Bemannung der Festungsanlagen im Grenzgebiet vorsah. Ein solches Burglehen bestand im Wesentlichen aus der Burghut, der Bewachung und Verteidigung der Burg. Damit verbunden war regelmäßig auch eine Residenzpflicht. Die Burgbesatzung wählte die anvertraute Burg als Wohnsitz und hielt sich zumindest zeitweise darin auf. Die römische Kriegsstrategie in der Zeit der Völkerwanderung bestand darin, dass das Heer nicht an einem Punkt des Reiches versammelt war, sondern ständig mehr oder weniger über das ganze Reich verteilt war. Kasernen mit einem stehenden Heer befanden sich überwiegend in den Grenzbereichen des Reiches. Gegen die ständigen Angriffe der Germanenvölker versuchte Rom sich zu schützen, indem es germanische Stämme (z.B. die Burgunder) zu Foederaten (Verbündeten) machte. Diese wurden vertraglich zur Unterstützung Roms verpflichtet und hatten die Aufgabe die Grenzen gegen andere germanische Angreifer schützen. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurden mehr als 50 solcher Verträge geschlossen. Das Föderatentum war für die Römer äußerst vorteilhaft. So konnten sie das Reich bestmöglich gegen Angriffe schützen und die verschiedenen germanischen Gruppen auch gegeneinander ausspielen. Der burgundische Königshof bestand aus den ständig am Hof anwesenden Personen, das waren nach dem Nibelungenlied König Gunther und seine Familie (seine Brüder Gernot, Giselher, seine Mutter Ute und seine Schwester Chriemhild) und die Personen, die mit Hofämtern betraut waren. Die Hofämter waren zumeist von der freien adligen Oberschicht wahrgenommene Aufgaben. Die wichtigsten waren Kämmerer, Marschall, Truchsess und Mundschenk. Am Hof der Burgunden waren das Dankwart: der Bruder Hagens, und Marschall König Gunthers, Gere und Eckewart: Markgrafen im Gefolge Gunthers, Hunold: Kämmerer und Kellermeister, Ortewein von Metz: Truchseß, Rumold: der Küchenmeister Gunthers und Sindold: Mundschenk am Hofe Gunthers. Und dann gab es die unregelmäßig am Hof verweilenden Personen, Berater und Lehnsmänner, die sich in beständigem Kommen und Gehen befanden und sich zumindest zeitweilig auch auf ihrem Lehen aufhielten, das waren nach dem Nibelungenlied die Kronvasallen Hagen und Volker von Alzey. Hagen war Lehnsmann und erster Berater des Königs.
Um den weiteren Handlungsverlauf im Nibelungenepos richtig beurteilen zu können und die richtigen Schlüsse aus den Hinweisen zu ziehen, müssen die Personenprofile der handelnden Personen, insbesondere, das der Hauptperson Hagen genauer analysiert werden. Hagen verkörpert zweifelsfrei eine der wichtigsten Persönlichkeiten am Hof der Burgunder. Er soll nach dem Nibelungenlied sogar mit der Herrscherfamilie verwandt sein. Es gibt für ihn aber leider kein historisch belegtes Vorbild. Rückschlüsse aus Hagens Verhaltensmuster zu ziehen, ist aber schwierig. Die literarischen Vorlagen, lassen eigentlich keine psychologische Interpretation der Personen zu, da alle im Grunde mit identischen Attributen Ehre, Treue, Gewaltbereitschaft beschrieben werden. In der Fassung B wird Hagen auch wiederholt als treulos und Verräter, andererseits wiederum als treuer Vasall beurteilt. Diese Werturteile der Verfasser bezogen sich aber wahrscheinlich nur auf bestimmte Handlungen Hagens, waren also situationsbezogen. Einmal ist er der hinterlistige Verräter, weil er der arglosen Kriemhild durch eine List das Geheimnis um Siegfrieds Unverwundbarkeit entlockt, und später der kaltblütige, heimtückische Mörder, der Siegfried hinterrücks den Speer in den Rücken stößt. Dann wieder ist er der treue Vasall König Gunthers, der die Ehre seines Königs, so Strophen (B∗864) und (865), rächt. Bei allen Kämpfen der Burgunden ist er als oberster Heerführer dabei. Am Ende der Nibelungensage begleitet er die Burgunder in das Land der Hunnen bis in den Tod. Die Strophen (B∗ 903, 906, 967, 969, 972, 981) und (1001) legen jedenfalls den Schluss nahe hin, dass Hagen ein verräterischer, skrupelloser, aber auch zweckgerichteter Mensch war, der nichts dem Zufall überließ und alles unter Kontrolle behalten wollte. Seine Handlungen waren genau geplant. Ein deutlicher Beleg dafür ist der Mord an Siegfried. Hagen verabredet er mit König Gunther den Mord bei einem Jagdausflug im Waskenwald, so Strophe (B∗916) und Strophe (B∗917). Hagen und Gunther sind damit die einzigen, die „den Ablauf der Tat kennen. Gunthers Mittäterschaft am Mord wird im Nibelungenlied auch deutlich hervorgehoben. So Strophe (B∗ 915): „Sogleich hatte Hagen dem König gesagt, wie er den angesehenen Ritter überwältigen wollte“. Die Gegend, in der die Jagd stattfand, war ebenfalls Teil des Mordplans und muss Hagen bestens bekannt gewesen sein. (B∗967): „Da entgegnete Hagen von Tronje: Mein lieber Herr, ich hatte angenommen die Pirsch hätte heute im Spessart stattfinden sollen“. Das war Teil des Täuschungsmanövers, denn der Spessart liegt viel zu weit ab von Worms, als dass Hagen bewusst ein solcher Irrtum unterlaufen konnte. Auch die Quelle, an der Siegfried dann ermordet wurde, muss Hagen bekannt gewesen sein, denn Hagen war derjenige der einen Wettlauf zur Quelle vorschlug. (B∗969): „Da sagte Hagen von Tronje: Edle, kühne Ritter, ich kenne hier in der Nähe eine kühle Quelle“ und (B∗972): „mir ist oft davon berichtet worden, dass aber auch nichts Chriemhilds Gemahl folgen könne, wenn er schnell läuft. Ach, wenn er uns das doch zeigen würde“. Im weiteren Verlauf des Nibelungenepos werden dann auch machtpolitische, habgierige Charakterzüge Hagens deutlich. Gunther und Chriemhild versöhnen sich, so Strophe (B∗ 1115). Die Versöhnung wird aber von Hagen initiiert, so Strophe (B∗1107); ihm geht es vorrangig um den Nibelungenhort. Hagen handelt also nicht ausschließlich im Interesse des Königshauses, sondern verfolgt auch eigene Ziele. Er plante von Anfang an, sich den Schatz anzueignen. Die Könige hatten zwar vor ihrer Abreise darüber gesprochen, Chriemhild den Schatz evtl. wegzunehmen um Schaden vom Reich abzuwenden. König Gunther war aber zunächst noch aufseiten seiner Tochter. In Strophe (B∗1129) sagt er: „Leben und Besitz sind ihr Eigentum. Nun wollen wir uns nicht darum kümmern, wohin sie ihr Gold und Silber verteilt“. Hagen hatte vorausplanend die Schlüssel zur Schatzkammer bereits an sich genommen, so Strophe B∗1132: „Hagen hatte sich aller Schlüssel bemächtigt“. Chriemhilds älterer Bruder Gernot sagt: „Ehe Bevor wir in Zukunft mit dem Gold belastet werden, sollten wir alles in den Rhein versenken lassen, damit es niemals wieder einem Menschen gehört“, so Strophe (B∗1134). Eine endgültige Entscheidung war noch nicht gefallen. Chriemhild selbst sagt zu ihrem Bruder Giselher: „Mein lieber Bruder, du solltest an mich denken und der Beschützer meines Lebens und meines Besitzes sein“. Und Giselher antwortet: „So sei es, sobald wir wieder zurückkommen, wir wollen jetzt ausreiten“, so Strophe (B∗1135). Aus den Strophen (B∗1129) bis (B∗1139), ergibt sich auch eine für Hagen und den Schatz nicht zu unterschätzende Gefahr. Der Schatz war in Speyer nur vorübergehend sicher. Es bestand ein hohes Risiko, dass nach Rückkehr der Könige, Chriemhild ihn sich mit deren Hilfe wieder aneignen könnte. Der Schatz konnte nicht in Speyer verbleiben, da er dort weiterhin dem Zugriff der Könige ausgesetzt war. Denn nach der Rückkehr der Könige, musste Hagen damit rechnen, dass Chriemhild sich den Schatz mithilfe ihrer Brüder wieder zurückholen würde. Das diese Vermutung nur allzu richtig sein kann, dafür gibt die Strophe (B∗1138) einen deutlichen Hinweis: „Die Fürsten kamen zurück und mit ihnen viele Männer. Da begann Chriemhild mit Mädchen und Frauen, über ihren großen Verlust zu klagen. Die Fürsten bedauerten dies sehr. Gerne hätte jetzt Giselher ganz auf ihrer Seite gestanden“. In Abwesenheit der Könige hatte Hagen den Schatz bereits eigenmächtig, aber offensichtlich ohne deren Billigung an sich genommen. In Strophe (B∗1139) heißt es: „Sie sagten übereinstimmend: Hagen hat übel gehandelt“. Nur König Gunther wusste Bescheid. Als Hagen den Schatz an sich nahm, befanden sich die Könige zweckmäßigerweise außer Landes. Der Ausflug diente so der Rechtfertigung Gunthers, der so vorgeben konnte, nichts gewusst zu haben. Da Hagen sich den Schatz aneignen und verbergen wollte, mit der Absicht in später zu nutzen, so Strophe (B∗1137), ist zu vermuten, dass Speyer von Anfang an auch nur als Zwischenstation geplant war. Nachdem Hagen in Speyer angelangt war, musste er den Schatz nur auf ein Transportschiff, wahrscheinlich ein Plattschiff (Prahm) verladen. Die Verladung auf Plattschiffe war einfach und ging schnell. Die Transportwagen selbst mussten nicht entladen werden, sondern konnten über die diesem Bootstyp eigene Bugpforte direkt auf die Boote fahren. Auch die Größe des Schatzes wäre ein Hindernis gewesen, denn mit ihrer Länge zwischen 7 und 35 Metern waren sie in der Lage große Mengen an Versorgungsgütern bis in die entferntesten Gegenden der besetzten Gebiete zu transportieren. Plattschiffe konnten bis zu 30 Tonnen Ladung transportieren. Für Hagen war es ein Leichtes, in Speyer Schiffsleute zu rekrutieren, um den Schatz mit einem Plattboot zum Versenkungsort zu transportieren. Die Besatzungsstärke der altrömischen Plattboote dürfte etwa bei zwei bis drei, vielleicht auch vier Mann gelegen haben. Diese Zahl reichte aus, um ein derartiges Schiff sicher flussabwärts zu bringen, wobei dazu sogar zwei Mann genügten, sofern auf Ruderunterstützung verzichtet wurde. Ebenso war eine solche Mannschaft ausreichend, um das Schiff gegen die Strömung zu treideln oder zu staken. Hagen hätte in Speyer zum Wegtransport des Schatzes erneut eigene Gefolgsleute einsetzen können. Diese waren ihm durch Treueid verpflichtet. Bei einem so großen Schatz waren aber die Versuchungen ebenfalls groß. Da Hagen ein sehr misstrauischer Mensch war, hat er vermutlich, um jede Gefahr durch Verrat auszuschließen, ab Speyer ausschließlich fremde Helfer eingesetzt. Denn um eine spätere Bergung des Schatzes durch Mitwisser sicher zu vermeiden, mussten zwangsläufig alle Helfer beseitigt werden. Hagen war zwar erwiesenermaßen ziemlich skrupellos, dennoch hätte er nicht ohne Not seine eigenen Ritter umgebracht. Da außer Hagen, seinen Rittern und den Königen nur die Helfer vom Versenkungsort des Schatzes wissen konnten, ist dieser Hinweis im Nibelungenlied ein deutliches Indiz dafür, dass alle Helfer unmittelbar nach dem Verbergen des Schatzes umgebracht wurden. Nachdem die Helfer umgebracht wurden und die Könige ebenfalls tot waren, kannte außer Hagen niemand mehr das Schatzversteck. Da Hagen den Schatz ja wiederbringlich versenken wollte, kam nur eine überlegte Versenkung, z.B. an einer seichten Stelle im Rhein in Betracht. Am ehesten kam ein seichter, langsam fließender Seitenarm des Rheins in Betracht. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Mittelrhein und seine Nebenarme in vergangenen Zeiten nur einige Meter tief und noch sehr sauber waren, sodass der Flussboden teilweise beobachtet werden konnte. Den Hort in einer Gegend, in der Menschen in der Nähe wohnten, einfach in den Fluss zu werfen wäre idiotisch gewesen. Der Schatz hätte entdeckt werden können. Deshalb ist zu vermuten, dass der Schatz in einer menschenleeren, entlegenen, aber leicht erreichbaren Gegend versenkt wurde. Eine solche als Schatzversteck geeignete, menschenleere, entlegene, aber leicht erreichbare Gegend lag gegenüber von Speyer auf der rechtsrheinischen Seite bei Lochheim in der Nähe des heutigen Sandhausens. Ansiedlungen von Menschen, die die Versenkung hätten beobachten können, waren in dieser Gegend zur Zeit der Burgunder nicht vorhanden. Die in der Nähe gelegenen heutigen Orte Oftersheim und Sandhausen am Leimbach wurden erst mehrere Jahrhunderte nach dem Burgunderreich am Rhein gegründet und waren also zur Zeit des Schatztransportes noch nicht vorhanden. Die Geschichte einiger Siedlungen lässt sich bis in keltische Zeiten vor Christi Geburt oder noch früher zurückverfolgen, so z.B. Wiesloch, Schwetzingen und Walldorf. Dann kamen die Römer. In Walldorf bezeugt ein in der Nähe ausgegrabener römischer Gutshof aus dem 1. Jahrhundert römische Präsenz. In einem in Hockenheim ausgegrabenen Ziegelofen wurden gestempelte Ziegel der 71 n. Chr. bis 92. n. Chr. in Mainz stationierten römischen legio XIV Gemina Martia Victrix gefunden, was auf eine römische Besiedlung in dieser Zeit hinweist. In Wiesloch wurde ein römischer Straßenvicus, ebenfalls aus dem 1. Jahrhundert ausgegraben. Altlußheim war im 1. Jahrhundert ein bedeutender Brückenkopf der Römerstraße Speyer – Bad Wimpfen. Grabfunde im nahe gelegenen Hubwald zeigen römische Präsenz auch in dieser Gegend. Die ersten urkundlichen Erwähnungen der Siedlungen erfolgten aber viel später. Wiesloch wird erstmalig im 6. Jahrhundert als Wezzinloch im Lorscher Kodex erwähnt (der Kodex enthält ca. 8.600 Ortsangaben). Walldorf als Waltdorf im 8. Jh., Schwetzingen als Suezzingen (8.Jh.), Oftersheim ebenfalls erstmalig im 8.Jh. Sandhausen wird urkundlich erstmalig im 13. Jahrhundert als Santhusen erwähnt. Auf Sandhausener Gebiet befand sich auch das untergegangene Dorf Lochheim. In Strophe (B∗1140) heißt es: „Bevor Hagen von Tronje den Schatz versenkte, hatten sie mit Eiden fest besiegelt, dass der Ort verborgen bleiben sollte, solange einer von ihnen noch lebte“. Dieser Hinweis ergibt nur einen Sinn, wenn die Könige darüber informiert waren, wo Hagen den Schatz versenken wollte. Sie müssen die Gegend um Lochheim, wo der Schatz versenkt werden sollte, gekannt haben.
Die übliche Form der Herrschaftsausübung von der fränkischen Zeit bis in das Spätmittelalter hinein war das Reisekönigtum. Die Könige des Mittelalters reisten mit Hofstaat durch ihr Reich, um unmittelbare Herrschaft auszuüben. Sie mussten auch Präsenz zeigen, um ihre Macht zu festigen und zu erhalten. Ein Reisekönigtum kannten auch die Römer. Bereits Kaiser Augustus (* 63 v. Chr.) nahm konstruktiv Anteil am Wohlergehen der Provinzen, indem er einen großen Teil seiner Zeit mit Reisen in seinem Reich zubrachte. So auch Kaiser Hadrian (*76 n. Chr.) der viel umherreiste, dabei große öffentliche Bauten errichten ließ und auch mal neue Städte gründete. Der Historiker Cassius Dio schrieb über ihn: „Hadrian besuchte methodisch die Provinzen und kümmerte sich um Burgen und Befestigungen. Die Provinzstädte förderte er durch die Anlegung von Wasserleitungen, Häfen, Kornspenden, Errichtung öffentlicher Gebäude, Gewährung von Geldspenden und Privilegien“. Auch zu Zeiten des Burgunderreiches am Rhein war die Verfassung weitgehend auf die Person des Königs ausgerichtet. Ein straff organisierter und zentral geführter Behördenapparat fehlte. Der König der Burgunder übte seine Herrschaftsrechte vermutlich wiederholt auf Hofreisen von Ort zu Ort aus, wie dies bereits die Römer taten. Dabei kehrte er entweder in einer der zahlreichen Reichsabteien, bei einem Bischof (Speyer war Bischofssitz) oder bei einem ihm durch Treueeid verpflichteten Vasallen in dessen Burg ein. Speyer war nach dem Limesfall wieder wichtige Grenzstadt geworden und konnte für den Besuch des Königs auch den geeigneten Rahmen bieten. In der Umgebung von Speyer lagen zahlreiche Gutshöfe, deren Erträge und Einkünfte zum Unterhalt des Königs verwendet werden konnten, wenn er sich mit seinem Gefolge in Speyer aufhielt. Bei diesen Besuchen wurden manchmal auch große Jagden veranstaltet. Solche Jagden waren auch zur Zeit der Burgunder ein üblicher Zeitvertreib. In der Strophe B*911 heißt es: „Da wir jetzt keinen Krieg mehr führen müssen, so will ich Bären und Wildschweine im Waskenwalde jagen, wie ich es schon oft getan habe“. Die Könige jagten während ihres Aufenthaltes in Speyer vermutlich in der Schwetzinger Hardt auf der rechten Rheinseite. Der Hardtwaldt war wegen seiner kargen Sandböden für eine Besiedelung wenig geeignet und daher von den Römern weitgehend unberührt geblieben. Um den Hardtwald herum lagen lediglich mehrere „villae rusticae“, die aber zur Versorgung der Jagdgesellschaft dienen konnten. Die Heerstraße zwischen den Kastellen bei Heidelberg-Neuenheim und Speyer durchquerte den Hardtwald, der zur Zeit der Römer noch ein dichter Buchenwald war. Der „Speyerer Weg“ in der Schwetzinger Hardt folgt heute noch auf großen Strecken dieser alten Römerstraße. Die Schwetzinger Hardt erstreckt sich mit Höhen von durchschnittlich wenig mehr als 100 m über NN zwischen Rhein und Kraichgau in der mittleren rechten Oberrheinischen Tiefebene und war schon in frühen Zeiten für ihren Wald- und Wildreichtum bekannt. Gejagt wurden Edelhirsche, Sauen. Öfter kamen in kalten Wintern Wolfsjagden hinzu. Noch im Jahr 1492 erlegte Kurfürst Philipp der Großmütige einen der letzten Bären der Rheinpfalz im Wald bei Schwetzingen. Auch im Nibelungenlied erlegt Siegfried einen Bären. Die Könige können die Gegend, in der der Schatz verborgen wurde, also von der Jagd gekannt haben. Durch die im Süden der Gemeinde Sandhausen vorhandene Dünenlandschaft, die Sandhauser Dünen, hat diese Gegend auch einen hohen Wiedererkennungswert. Im Hafen von Speyer ließ Hagen den Schatz auf ein Plattschiff verladen und den Rhein flussabwärts bis zur Mündung des Ostrheins beim heutigen Brühl treiben. Plattschiffe konnten gerudert oder gestakt werden und mit Segelunterstützung pro Stunde bis zu 10 km zurücklegen. Die Mündung des alten Ostrheins war von Speyer aus unter Ausnützung der Strömung flussabwärts leicht zu erreichen. Danach musste das Boot nur noch den alten Ostrhein hinauf bis zum Versenkungsort gerudert oder gestakt werden, was in diesem Flussabschnitt eine leichte Übung war, da der Ostrhein zur Römerzeit ein seichtes, langsam fließendes Gewässer war. Von Speyer bis zum Versenkungsort bei Lochheim waren es ungefähr 35 km. Der gesamte Schatztransport war daher in maximal vier bis fünf Stunden zu bewerkstelligen. Am Versenkungsort angekommen, wurden Löcher in das Boot geschlagen und der Schatz mitsamt dem Transportmittel versenkt. So brauchte man sich nicht um das Entladen zu kümmern, der umfangreiche Schatz musste nicht erst irgendwo hingeschleppt werden. Außerdem waren die Schiffsleute so gezwungen, zu Fuß zurückzukehren. Die Römerstraße Richtung Speyer verlief nur ca. 900 m westlich vom Versenkungsort und war in wenigen Minuten zu erreichen. Die Rückkehr zu Fuß war vermutlich von Anfang an von Hagen auch so geplant. Denn um jeglichen Verrat bzw. eine spätere Bergung des Schatzes durch Mitwisser zu vermeiden, mussten die Schiffsleute, die den Schatz transportiert hatten, nach der Versenkung beseitigt werden. Entsprechende Bodenfunde in der Gegend von Sandhausen wurden bisher zwar nicht gemacht. Für diese Theorie sprechen jedoch andere Bodenfunde aus der Nähe: Wenig nördlich der Römerstraße Wiesloch-Wimpfen, ca. 7 km vom Versenkungsort entfernt, fanden sich in einem verfüllten Hohlweg in einer Tiefe von 3,60 m 4 Skelette von sehr robusten, 20 bis 35 Jahre alten Männern. Vor der Bestattung müssen die Körper längere Zeit an der Erdoberfläche gelegen haben und stark verwest gewesen sein, da einzelne Körperpartien wie z.B. Arme oder Beine sich vor der Überschüttung schon vom Rumpf gelöst hatten; Verletzungen ließen sich an den Knochen nicht nachweisen. Offensichtlich hatte kein Kampf stattgefunden; dies spricht für einen Überfall. Beifunde wurden auch keine gemacht, daher handelte es sich nicht um eine reguläre Bestattung. Eine C14-Altersbestimmung ergab einen ungefähren Datierungsbereich von 30 bis 230 n. Chr. Da aber nur eine einzige Altersbestimmung gemacht wurde und die Knochen z.T. stark mit Kalkkrusten überzogen waren, darf die Messgenauigkeit nicht überschätzt werden. Eine Datierung ins 4. oder erste Drittel des 5. Jahrhunderts ist ebenfalls noch möglich. Gegen eine Datierung ins späte 1. bis zur Mitte des 3. Jh. spricht auch die Tatsache, dass die Toten erst Monate nach ihrem Tod begraben wurden. So nahe an der zu dieser Zeit noch stark frequentierten Straße Wiesloch-Wimpfen hätte man die Leichen bestimmt sofort bestattet. Aufgrund der gesamten Indizien, kann darüber spekuliert werden, ob es sich bei den vier männlichen Skeletten möglicherweise um die von Hagen in Speyer rekrutierten Schiffsleute gehandelt hat, die dieser nach getaner Arbeit beseitigen ließ. Auch die Anzahl spricht für diese Theorie, da zum Steuern des für den Wegtransport des Schatzes verwendeten Plattbootes nicht mehr als 4 Helfer benötigt wurden. Die Entfernung des Fundortes der Skelette zum Versenkungsort des Schatzes, erklärt sich vermutlich damit, dass die Helfer zunächst nichts ahnend über die Römerstraße Richtung Wiesloch zurückliefen, dann aber auftragsgemäß von den im Burgus stationierten Rittern abgepasst und getötet wurden.
Der Versenkungsort
Die einzige logische und systematische Suche scheint die, alle Theorien, bekannten Tatsachen und Fakten gegeneinander abzuwägen. Es empfiehlt sich, grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Gedankenzüge dem Verbergen vorausgegangen sein könnten. Zu der Zeit als die Schätze verborgen wurden, gab es keine andere Möglichkeit der Wiederfindung, als die genaue Kenntnis der Lage. Somit genügte es, das wertvolle Gut durch einfaches Verbergen (vergraben oder versenken) dem allgemeinen Zugriff zu entziehen. Nur mit dem nötigen Wissen und der exakten Kenntnis um die Umstände und Örtlichkeit war ein Auffinden möglich. Im Urtext der Handschrift B heißt es: Er sancte in da ze Loche allen in den Rin. Er senkte in da zu Lochheim allen in den Rhein. Bereits zu Zeiten des Römischen Reiches existierte auf dem Gebiet der Gemeinde Sandhausen eine Siedlung namens Lochheim. Die Siedlung ist im 13. Jahrhundert untergegangen. Lochheim hieß im 12. Jahrhundert Lochem und lag in der Gemarkung Sandhausen gegenüber von Speyer.
Wenn Hagen den Schatz bei Lochheim versenkt hatte, brauchte er eine Landmarke, um ihn später genau orten zu können. Als Landmarken können z. B. verlassene Gebäude am linken Ufer des Ostrheins gedient haben. Das Einzige in der Nähe von Lochheim gelegene und vom Fluss aus sichtbaren Gebäuden war der römische Gutshof im Gewann Steinigte Äcker. Die Gebäude oder zumindest deren Ruinen dürften im 5. Jahrhundert als die Burgunder in Worms siedelten, noch vorhanden gewesen sein. Zum Gutshof gehörte eine riesige ca. 25 m hohe Turmgrabsäule, die ebenfalls am linken Ufer des Ostrheins stand. Hagen versenkte den Schatz vermutlich in Sichtweite dieser Säule im damals noch Wasser führenden Ostrhein. Für diesen Ort der Schatzversenkung spricht auch der bei Sandhausen gelegene römische Schiffsländeburgus, welcher von den Burgundern im Rahmen ihres föderativen Verteidigungsauftrages vermutlich als leicht zu verteidigender Stützpunkt bzw. vorgeschobener Beobachtungsposten gegen die Alemannen bereits genutzt wurde. In solchem Fall kann man weiter vermuten, dass Hagen im Burgus schon aus strategischen Gründen seine Ritter stationiert hatte. Ein nützlicher Nebeneffekt war dabei auch die Bewachung des Schatzes. Das Raffinierte an dieser Strategie war, das die dort stationierten Ritter noch nicht einmal etwas von der Existenz des Schatzes zu wissen brauchten. Es genügte, wenn die Umgebung gesichert wurde. Da der Ostrhein schon seit langer Zeit verlandet ist, liegt der Schatz heute auf Land.
![Detailausschnitt, eigene Bearbeitung der historischen Landkarte alter Flussläufe von Rhein und Neckar vom 6. Jahrhundert bis 1850, Quelle: von Litographirt von Jos. Wehrte (Originaltext) (published by BRAUN in Karlsruhe) [Public domain], via Wikimedia Commons alte Rheinkarte](https://kompendium-des-wissens.de/wp-content/uploads/2025/11/Screenshot-2025-11-02-143216.png)
