Die heimliche Invasion
Ameisen sind die heimliche Weltmacht auf unserem Planeten.

Alle Ameisenarten zusammengenommen übersteigt ihre Masse die der gesamten Menschheit. Ameisen sind in Wüsten ebenso heimisch wie in den Polarregionen, und wie wir Menschen leben wie sie in sozialen Staaten, führen Kriege und halten Sklaven. Sie führen Kriege und verabreichen Medizin, betreiben Ackerbau und Weidewirtschaft. Sie leben in einer Welt aus verschlüsselter Kommunikation und blitzschnellen Befehlsketten, geheimen Giftmischungen und gigantischen Körperkräften. Ameisen gehören zu den erfolgreichsten Spezies des Planeten. In Deutschland breiten sich immer mehr invasive Ameisenarten aus. Besonders die „große Drüsenameise“ aus dem Mittelmeerraum bereitet Probleme. Für das Ökosystem sind zwar keine negativen Effekte bekannt – wohl aber für Gebäude oder Gehwege. Denn die Ameisen lieben mineralischen Boden und höhlen ihn komplett aus. Dadurch entstehen Risse, Bodenplatten werden locker.
| Große Drüsenameise (Tapinoma magnum): Diese Art bildet riesige Kolonien, die sogar Gebäude unterhöhlen und technische Infrastruktur wie Strom- und Internetleitungen beschädigen können. Sie ist aggressiv und kann heimische Ameisenarten verdrängen. Die Große Drüsenameise ist ein Omnivore. Sie ernährt sich zu mehr als 70 Prozent von Ameisen und anderen Insekten, Schnecken und Spinnen. Die Superkolonien sind an den breiten und stark frequentierten Ameisenstraßen zu erkennen, die zwischen den Öffnungen der unterirdisch miteinander verbundenen Nester und den Nahrungsquellen angelegt werden. In ihren neu gewonnenen Verbreitungsgebieten werden in urbanen Lebensräumen Superkolonien mit bis zu zwei Hektar Fläche, 20 Millionen Arbeiterinnen und 350 Königinnen gebildet, z. B. in Gartencentern, Wohngebieten, Gärten, Friedhöfen, Parkplätzen, Gebäuden und unmittelbar angrenzenden Lebensräumen wie Weinbergen. Die Bildung von Superkolonien und die weitere Ausbreitung der Großen Drüsenameise wird durch ihre Winterhärte begünstigt: In Deutschland haben Kolonien strenge Winter mit zweiwöchigen Frostperioden und Temperaturen bis −15 Grad überstanden, ohne erkennbaren Schaden zu nehmen. Die Große Drüsenameise hat keinen Stachel, doch sie beißt auch Menschen. Dadurch kann sie Rasen und andere Erholungsflächen unbenutzbar machen. |
| Argentinische Ameise (Linepithema humile): In ihrer Heimat sind Kolonien dieser Ameisenart monogyn (eine Königin pro Kolonie), und die Kolonien bekämpfen sich untereinander. Dort wo sie eingeschleppt wurde, bildet die Argentinische Ameise jedoch sogenannte Superkolonien aus mehreren Nestern (polydom) mit jeweils mehreren Königinnen (polygyn). Diese Kolonien können sich über riesige Areale erstrecken. Da die Art jedoch nicht frosthart ist, blieb ihr Verbreitungsgebiet in Mitteleuropa bisher auf Warmhäuser beschränkt – es existieren keine permanenten Freilandvorkommen. Die argentinische Ameise wurde in ihrer Ausbreitung bisher meist durch klimatische Einschränkungen gebremst, daher könnte die globale Erwärmung die Ausbreitung dieser invasiven Art begünstigen. Schlüpfende Königinnen werden direkt im Nest begattet und produzieren dann lebenslang, ( = durchschnittlich 0,9 Jahre) Eier. In der Abwesenheit von Königinnen können Arbeiterinnen unbefruchtete Eier legen, aus denen dann Männchen schlüpfen. Die Superkolonien breiten sich durch Anlage von neuen Nestern in der Nähe von alten Nestern aus und können sich jährlich um bis zu 150 m erweitern. Als invasive Art treten treten sie oft als überlegener Konkurrent heimischer Ameisen auf, da sie sich durch ihre Superkolonien nicht gegenseitig bekämpfen und die Nahrungssuche optimieren können. Oft finden sie Nahrung schneller als andere Ameisen und zeigen teilweise auch aggressives Verhalten gegenüber heimischen Ameisenarten. |
| Vergessene Wegameise (Lasius neglectus): Diese Ameisenart lebt in zum Teil riesigen Superkolonien, Systemen miteinander verbundener Nester mit vielen Königinnen. Anstatt in ein neues Nest zu ziehen, um eine neue Kolonie zu gründen, paaren sich die Königinnen innerhalb der bestehenden Kolonie. Im Gegensatz zu den meisten Ameisenarten paaren sich Königinnen unter der Erde und sind nicht flugfähig. Ähnlich wie bei vielen anderen invasiven Arten wurde bisher festgestellt, dass L. neglectus nur gestörte städtische Lebensräume wie Parks und Gärten befällt, wo sie die meisten einheimischen Ameisen und andere Insektenpopulationen ausrottet und Bäume aufgrund der von ihr gepflegten massiven Blattlauskulturen schädigt. Während die meisten anderen bekannten Schädlingsameisen warme Temperaturen benötigen, um zu gedeihen, kann L. neglectus Winter mit längeren Frostperioden überleben, so dass eine weitere Ausbreitung in gemäßigte Klimazonen unvermeidlich erscheint. |
| Rote Feuerameise (Solenopsis invicta): Diese Art, ein ursprünglich aus Südamerika stammender Vertreter der Feuerameisen , hat sich seit 1920 als Neozoon in den südlichen Staaten der USA und in Mexiko ausgebreitet. Sie wurde neuerdings auch in Australien, China, Taiwan und seit September 2023 auch in Europa nachgewiesen. Ihre rasche Verbreitung ist auf ihr aggressives Verhalten zurückzuführen, das sie sowohl gegen andere Ameisenarten als auch gegen potentielle Angreifer wie den Menschen an den Tag legt. Bei einem Angriff attackiert die Ameise durch eine Kombination ihrer Kiefer und ihres Giftstachels am Hinterleib. Sie beißt erst in die Haut und spritzt in die entstandene Wunde ihr Gift ein. Mehrere dieser Angriffe erfolgen in kurzen Abständen voneinander. Das Gift besteht hauptsächlich aus hochwirksamen Alkaloiden, die mit einer leichten Zeitverzögerung eine brennende Hautreaktion hervorrufen. Die betroffene Stelle wird feuerrot und bildet Pusteln, bei Allergikern kommen Schockreaktionen hinzu. Ausgelöst werden diese durch verschiedene Bestandteile des Giftes, von denen bisher allerdings erst vier Substanzen identifiziert werden konnten. Begegnungen mit einzelnen Ameisen sind entsprechend nur für Allergiker gefährlich. Wird jedoch eine Kolonie der Tiere aufgestört, stürzen sich gleich Hunderte auf den potentiellen Angreifer. Schwere „Verbrennungen“ und lebensgefährliche Schockreaktionen sind das Resultat einer solchen Attacke. Die Rote Feuerameise war die erste Ameisen-Art, bei der ein Magnetsinn nachgewiesen wurde; als möglicher Sitz dieses Magnetsinns sollen die Fühler bzw. „Antennen“ der Ameisen dienen. Feuerameisen können Überschwemmungen überleben, indem sich die weiblichen Einzeltiere und Larven mit ihren Körpern zu einem Floß verbinden; diese Flöße können ausschließlich aus Arbeiterinnen bestehen, meist beherbergen sie aber auch Brut und Königinnen, oft auch männliche Ameisen. |
| Pharaonenameise (Monomorium pharaonis): Sie ist ursprünglich in Asien beheimatet und wurde im 19. Jahrhundert in Europa eingeschleppt. Die Pharaoameise kann in den gemäßigten Breiten nur an warmen Orten wie geheizten Räumen überleben, den Winter könnte sie nicht im Freien überleben. Daher lebt sie vorrangig in Gebäuden mit gleichbleibend hoher Temperatur, z. B. Krankenhäuser, Großküchen, Treibhäuser, Bäckereien oder ähnlichem. Sie lebt auch in Privathaushalten. Ein Nest enthält immer mehrere Königinnen. Ungestörte Populationen können aus über 300.000 Einzeltieren bestehen. Wird eine Kolonie zu groß, werden Tochterkolonien angelegt, die am Anfang noch mit der Mutterkolonie in Verbindung stehen, sich aber später auch verselbständigen können. Die Pharaoameise kann in Krankenhäusern unter Wundverbände von Patienten kriechen, da sie von Blut und Eiter angelockt wird. Zudem dringt sie in medizinische Geräte wie Kanülen, Katheter etc. ein und verunreinigt diese. Da sie auch Krankheiten übertragen kann, ist sie ein ernstzunehmendes Problem in Krankenhäusern. Die Ameisen können auch in Computer eindringen, da sie durch die günstigen Temperaturen angelockt werden. Dort können sie Systemabstürze und Elektrobrände verursachen. Die Bekämpfung der Pharaoameise ist wegen der versteckten Lage der Nester schwierig. |
| Kleine Feuerameise (Wasmannia auropunctata): Der Name Feuerameise leitet sich von dem wie Feuer brennenden Stich ab. Die Tiere besitzen einen funktionstüchtigen Giftstachel, mit dem sie auch die menschliche Haut durchdringen können. Die Art bildet große Kolonien mit mehreren Königinnen, ist also polygyn. Neue Kolonien entstehen durch Sprossung, indem eine oder mehrere Jungköniginnen das Nest gemeinsam mit einer Anzahl Arbeiterinnen verlassen. Während sie anderen Ameisenarten gegenüber hochgradig aggressiv ist, sind Kolonien der Art untereinander friedlich. D ie Art kann sowohl in Regionen mit mehr als 5 Monaten Trockenzeit wie auch in Bereichen mit Minimumtemperaturen weit unterhalb tropischer Verhältnisse leben. In gemäßigtem Klima mit Nachtfrösten vermag Wasmannia auropunctata nicht im Freien zu leben. Die geringe Körpergröße der Art, ihre ökologische Plastizität und der Modus der Koloniegründung durch Sprossung und ihre Besiedlung auch menschengemachter Substrate haben dazu geführt, dass die Art fast weltweit in warme Regionen verschleppt worden ist. |
| Dickkopfameise (Pheidole pallidula) : Diese eigentlich nicht einheimische Art kommt mittlerweile auch schon in Deutschland etwa in Gewächshäusern u. ä. vor. Neben der Stöpselkopfameise (Camponotus truncatus) ist Pheidole pallidula die einzige euopäische Ameisenart mit einer echten Soldatenkaste. Die besonders großen Soldaten haben einen im Verhältnis zum Körper überproportional großen Kopf. Die Art ist sehr aggressiv und ständig auf Nahrungssuche. Pheidole Arten lieben es lebendige Futtertiere selbst zu erbeuten. |
Einige erstaunliche Fakten über Ameisen
Über 20.000 Arten haben sich an fast jedes Klima angepasst, mit Ausnahme der Antarktis. In Europa leben ca. 200 verschiedene Arten, darunter beispielsweise die in Deutschland stark verbreitete Waldameise. Es sind hochsoziale Insekten, die aber lnur in Kolonien überleben können. Jede Ameise hat eine bestimmte Aufgabe, von der Königin, die Eier legt, bis zu den Arbeiterinnen, die für Nestbau und Fütterung zuständig sind. Sind Ameisen verwundet, beißen Artgenossinnen ihnen im Notfall die verletzten Gliedmaße ab, um Wundinfektionen zu verhindern. Rund 90% der amputierten Tiere überleben die Behandlung. Trotz des Verlusts eines ihrer 6 Beine können sie danach ihre Aufgaben im Nest wieder im vollen Umfang übernehmen. Die Ameisen amputieren aber nur, wenn die Beinverletzungen am Oberschenkel liegen – egal ob die Wunden steril oder mit Bakterien infiziert sind. Befinden sich die Wunden dagegen am Unterschenkel, wird niemals amputiert. Stattdessen treiben die Ameisen in solchen Fällen einen höheren Aufwand bei der Pflege der Verwundeten: Sie lecken die Wunden intensiv aus. Vermutlich säubern sie sie damit auf mechanischem Weg von Bakterien. Auch diese Therapie ist mit einer Überlebensrate von rund 75% relativ erfolgreich. Dieses Verhalten wurde z. B. bei den Florida-Holzameisen (Camponotus floridanus) beobachtet. Eine andere Aufgabe ist die Verteidigung des Baus. Diese wird von Soldaten übernommen. Viele Soldaten sind mit mächtigen Kiefern ausgestattet, um Angreifer zu zerreißen. Einige Arten, wie die rote Gartenameise, besitzen einen Stachel zur Verteidigung. Andere Arten versprühen Ameisensäure zur Abwehr. Eine besondere Art der Verteidigung praktizieren die die Soldaten bei den Stöpselkopfameisen. Bei ihnen ist der Kopf vorne platt abgeschnitten, und zwar so, dass er haargenau in den Nesteingang passt. D er Eingang zum Nest ist nur klein und kreisrund. Die Soldaten halten als Türwächter ihren abgeplatteten Kopf in die Öffnung und machen sie unpassierbar. Nur Angehörige der eigenen Kolonie lassen sie durch. Welche Aufgabe eine Ameise später einmal übernehmen wird, entscheidet sich schon im Larvenalterdurch durch äußere Faktoren, unter anderem Hormone, dem Nahrungsangebot und der Temperatur. Ameisen können das bis zu 100-fache ihres eigenen Körpergewichts tragen. Das sind 500 Gramm. Ein Mensch müsste vergleichsweise einen Lastwagen tragen. Ameisen verständigen sich hauptsächlich über chemische Duftstoffe, sogenannte Pheromone. Über Duftspuren geben sie Informationen über Feinde, Nahrung oder Baumaterial an ihre Artgenossen weiter. So legen Kundschafter-Ameisen beispielsweise eine Duftspur bis einer gefundenen guten Nahrungsquelle, und die anderen Tiere folgen dieser dann. Zudem können Ameisen Informationen auch durch Vibrationen und Berührungen mit dem Hinterteil austauschen. Die Lebenserwartung von Ameisen ist unterschiedlich. Während manche Arbeiterinnen bereits nach wenigen Monaten sterben, werden andere bis zu drei Jahre alt. Die Königinnen haben mit über 20 Jahren die mit Abstand höchste Lebenserwartung. Im Frühling findet der sogenannte Hochzeitsflug statt. Dabei fliegen die Königinnen aus und werden von den ebenfalls fliegenden Männchen begattet. Die männlichen Ameisen sterben nach der Paarung. Da die Königinnen nach dem Hochzeitsflug ihre Flügel abwerfen, werden sie nämlich nur ein einziges Mal begattet. Beim Hochzeitsflug erhält eine Ameisenkönigin viele Millionen Samenzellen. Diese bewahrt sie in der sogenannten Samentasche auf und verbraucht diesen Sperma-Vorrat bis an ihr Lebensende auf.
Blattschneiderameisen treiben „Landwirtschaft“: Sie schneiden Blätter von den Bäumen und tragen die Blattschnipsel in ihre unterirdischen Nester. Die Ameisen züchten auf dem Pflanzenmaterial dann bestimmte Pilze, der Gattungen Leucoagaricus und Leucocoprinus, die sie hegen und von denen sie sich ernähren. Der Pilz wird oft von einem anderen Schmarotzerpilz attackiert. Doch die Ameisen sorgen vor: Sie tragen bestimmte Bakterien auf ihrem Körper und füttern sie dort mit einem Drüsensekret. Die Bakterien wiederum helfen, die Pilzgärten von Schmarotzerpilzen frei zu halten. Andere Bakterien nutzen die Pilzgärten als Nahrungsgrundlage und versorgen im Gegenzug Pilze und Ameisen mit Stickstoff. Die Ameisen haben somit nicht nur eine Art Landwirtschaft, sondern auch hoch spezialisierte Hygienemaßnahmen entwickelt. Ameisen betreiben auch Viehzucht, indem sie Blattläuse wie Nutztiere, halten, um an den süßen Honigtau zu gelangen, den die Läuse ausscheiden. Als Gegenleistung beschützen die Ameisen die Läuse vor Fressfeinden wie Marienkäfern und transportieren sie sogar an neue, saftigere Pflanzen, was als „Blattlaus-Farming“ bezeichnet wird.
Ameisen kennen auch eine Art sozialer Immunisierung. So wurde bei L. neglectus beobachtet, wie sie eine „zerstörerische Desinfektion“ ihrer Brut durchführte, wobei Ammen-Ameisen Puppen finden, die mit Metarhizium brunneum, einem parasitären Pilz, infiziert sind. Die Ammen beißen dann in die Außenhaut der Puppe und besprühen sie mit antiseptischem Gift, um sowohl die Puppe als auch den Pilz abzutöten. Es wurden auch gesunde Individuen beobachtet, die Pilzsporen vom Körper erkrankter Nestgenossen abfressen, ohne dabei zu erkranken; ähnlich einer Impfung erwerben die Tiere eine verbesserte Immunabwehr. Manchmal führt dies sogar zu einer schützenden Immunität der überlebenden Koloniemitglieder gegenüber künftigen geringen Expositionen mit diesen Pilzen.