Das Honigvolk

Weltweit gibt es über 20.000 Wildbienenarten, von denen etwa 560 in Deutschland heimisch sind, im Gegensatz zu nur etwa neun Honigbienenarten weltweit. Wildbienen leben meist einzeln, während Honigbienen in großen Staaten zusammenleben und Honig produzieren. 

Der Staat der Honigbienen besteht aus drei unterschiedlichen Wesen: die Königin, die Arbeiterinnen und die Drohnen (männliche Bienen). Im Volk herrscht eine streng organisierte Arbeitsteilung. Königin und Drohnen stehen für die Fortpflanzung, die Arbeiterinnen stehen für die Nahrungsaufnahme. Unter den Arbeitsbienen gibt es zudem Heizerbienen und Kühlerbienen, die durch Muskelzittern bzw. Verdunsten von Flüssigkeit die Temperatur im Innern des Bienenstocks sowohl im Winter als auch im Sommer immer bei 35 °C halten. Wächterbienen bewachen den Eingang, Ammenbienen ernähren den Nachwuchs und „Putzbienen“ halten den Bienenstock sauber. Zusammen funktioniert der Bienenstaat wie ein Superorganismus. Schon seit mehreren tausend Jahren nutzt der Mensch die Honigbiene in Europa. Das zeigt die Felsmalerei aus Cuevas de la Araña, die eine frühe Form der Bienennutzung zeigt, etwa 10.000 bis 6.000 vor Chr. 

Bienenkönigin

Die Bienenkönigin kommt in jedem Bienenvolk nur einmal vor. Sie ist das mit Abstand größte und langlebigste Tier und das einzige fortpflanzungsfähige Weibchen. Neben ihrer Hauptaufgabe, dem Eierlegen während der Vegetationszeit, gibt die Königin über ihre Mandibeln die sogenannte Königinnensubstanz ab. Diese enthält ein Pheromon, das die anderen weiblichen Bienen, die Arbeitsbienen, in ihrer Geschlechtlichkeit hemmt und gleichzeitig Aktivität und Produktivität der Bienen  im Stock steuert. Die Bienenkönigin kann täglich bis zu 2.000 Eier legen und so den Fortbestand des Volks sichern.  Die Größe des Bienenvolks passt sich immer den Jahreszeiten an und wächst von 8000 bis 10.000 im Winter auf über 40.000 im Sommer an, um dann wieder zu schrumpfen. Wenn das Volk zu groß zu wird, verlässt die aktuelleKönigin gemeinsam mit einem Teil der Arbeiterinnen den Bienenstock, um ein neues Volk zu gründen. Dieser Vorgang wird Schwärmen genannt. Auslöser für das Schwärmen ist immer ein überfüllter Bienenstock: Wenn der Bienenstock zu eng für das im Sommer stetig wachsende Volk wird, bereiten die Bienen den Schwarm vor. Vor dem Ausschwärmen haben die Arbeiterinnen neben der aktuellen Königin bereits neue Königinnen herangezogen, von denen eine an die Stelle der alten tritt.  Wenn mehrere Königinnen gleichzeitig schlüpfen, kämpfen die rivalisierenden Königinnen in der Regel gegeneinander, bis nur eine überlebt. Die Entwicklung einer neuen Bienenkönigin beginnt mit einem befruchteten Ei, das von der aktuellen Bienenkönigin in eine normale Zelle gelegt wird. Wenn ein Volk eine neue Königin benötigt, bauen die Ammenbienen eine oder mehrere dieser Zellen um. Eine Weiselzelle ist deutlich größer und länglicher als die Zellen für Arbeiterinnen. Eine von den Ammenbienen produzierte spezielle Larvennahrung, das Gelee Royale, steuert die Entwicklung der Larve zu einer fruchtbaren Königin. Nachdem die Larve die gesamte Entwicklungszeit mit Gelée Royale gefüttert wurde, schlüpft die Königin nach etwa 16 bis 17 Tagen. Genetisch sind  Königin und Arbeiterin identisch, doch durch den speziellen Futtersaft wird Genregulation durch Methylierung eingeleitet, was zu unterschiedlicher Genexpression und damit unterschiedlichem Verhalten und Funktion der Königin führt. Ein bis zwei Wochen nachdem die neue Bienenkönigin geschlüpft ist, geht sie auf Hochzeitsflug. Die männlichen Bienen, die Drohnen werden durch ein Pheromon angelockt, das die Königin versprüht. Dieses ist so wirksam, dass sich auf einem Drohnensammelplatz bis zu 20.000 Drohnen aus den umliegenden Bienenstöcken einfinden können. Die Königin paart sich aber nur mit zehn bis fünfzehn Auserwählten. Die meisten Drohnen sterben noch während des Paarungsaktes oder kurz danach. In ihrem ganzen Leben paart sich die Königin auch nur ein einziges Mal – danach bewahrt sie die Spermien bis zu ihrem Tod in ihrer Samenblase auf und widmet sich hauptsächlich ihrer wichtigsten Aufgabe: dem Legen von Eiern. Eine Bienenkönigin kann bis zu fünf Jahre alt werden.

Sammlerbiene

Der Lebenszyklus einer Honigbiene besteht aus vier Phasen. Zu Beginn ihres Lebens halten sich die noch flugunfähigen Bienen in der Nähe der Brutwaben auf, als Putzbienen ist es ihre Aufgabe, diese zu säubern. Im Alter von vier bis zwölf Tagen sind die Futtersaftdrüsen der Honigbienen besonders aktiv: Dann versorgen sie als Ammen sowohl junge Larven als auch die Königin.  Die Pflege der Nachkömmlinge beginnt mit der Fütterung älterer Larven mit Bienenbrot, einem Gemisch aus Pollen und Honig. Sobald ihre Futtersaftdrüsen voll ausgebildet sind, produzieren sie auch den Futtersaft (Gelee Royal) und geben ihn in die Brutzellenmit den frisch gelegten Eiern. Nebenbei versorgen die Ammenbienen noch die Drohnen und die Königin, die ebenfalls gefüttert und geputzt werden wollen. Ab dem 12. Lebenstag bilden sich die Futtersaftdrüsen langsam zurück, dafür entwickeln sich die Wachsdrüsen: Die Arbeiterin wird zur Baubiene und beteiligt sich am Wabenbau.  Nebenbei verdeckelt sie auch die Zellen mit Brut und Honig oder repariert sie. Sobald sich die Giftblase der Biene entwickelt hat, kann die Baubiene Aufgaben als Wächterbiene übernehmen. Die Giftblase entwickelt sich schon im Puppenstadium, und ab dem 15. Lebenstag ist sie prall gefüllt und einsatzbereit. Wenn Bienen Säugetiere stechen, bleibt der Stachel mit seinen Widerhaken hängen, wird ausgerissen, und die Bienen verbluten. Stechen sie dagegen andere Insekten, können sie ihn wieder herausziehen. Nachdem die Wächterbienen einige Tage den Stock bewacht haben, beginnen sie ihre letzte Aufgabe: Bis zu ihrem Tod sammeln die Arbeiterinnen von nun an Nektar, Honigtau von Läusen, Pollen und Wasser. Bis zu 2000 Blüten besuchen sie pro Tag, um ihren Teil zum Wintervorrat beizutragen. Dazu fliegen Bienen bis zu drei Kilometer weit, um die richtigen Blüten zu finden.

Honigbienen sind orts- und blütenstet, das bedeutet, dass eine Biene während eines Ausflugs nur Blüten derselben Pflanzenart besucht. Sie bleibt auch bei weiteren Ausflügen dem Ort, der Richtung und der Pflanze treu, solange es genug Blüten zum abernten  gibt. Bevor die Sammlerbienen ausschwärmen, fliegen Kundschafterinnen los. Etwa fünf Prozent der Sammlerbienen sind Kundschafterinnen. Es sind meist ältere Bienen, deren Verlust für den Bienenstock kein Risiko mehr darstellt. Die Aufgabe der Kundschafterinnen ist es, in unbekannten Gebieten nach Nahrungsquellen zu suchen. Alle anderen Sammlerinnen warten währenddessen im Stock. War eine Kundschafterin erfolgreich, fliegt sie mit ihrer Ausbeute an gesammeltem Necktar zurück und lässt sogenannte Vorkosterbienen diesen testen. Wird er für gut befunden, fordern die Vorkosterinnen durch energische Fühlerkontakte die Kundschafterin dazu auf, den anderen Sammlerinnen den Fundort mitzuteilen. Dies geschieht durch Tänze, bei denen die Bienen auffällige und charakteristische Bewegungsmuster ausführen. Auch beim Schwärmen spielt das Vortanzen zum Finden und Auswählen eines geeigneten neuen Nistplatzes eine wichtige Rolle. 

Der Bienentanz

Die Tanzsprache ist eine der wesentlichen Kommunikationsformen der Honigbienen. Durch das Tanzen werden mehrere Arten von Informationen – unter anderem über Futterquellen vermittelt. Die Tänze sind dabei für alle von Flugbienen gesammelten Rohstoffe bis auf minimale Unterschiede gleich; am häufigsten weist ein solcher Bewegungsablauf jedoch auf eine Nahrungsquelle hin (z. B. Nektar, Pollen, Honigtau oder Wasser). Je nach Entfernung der Futter- oder Rohstoffquellen wird ein Fund entweder durch den Rundtanz oder den Schwänzeltanz angegeben. Für Fundorte in der näheren Stockumgebung (bis ca. 100 m) findet hauptsächlich der Rundtanz Anwendung, für alle weiter entfernt liegenden Quellen verwenden die Bienen den Schwänzeltanz. Die Tänze geben immer ein recht genaues Zielgebiet an, in dem sich die Bienen, sobald sie es erreicht haben, hauptsächlich an Gerüchen orientieren. 

Beim Rundtanz läuft die Biene für bis zu drei Minuten in einem kleinen Kreis (Radius ca. 1–2 cm) umher und ändert dabei etwa nach einer kompletten Umdrehung ihre Drehrichtung. Der Fundort des Futters wird dabei nicht direkt angegeben, die Sammlerinnen erfahren lediglich, dass sich die Quelle in der Nähe des Bienenstocks befindet. Liegen die Futter- oder Ressourcenquellen weiter vom Stock entfernt, ändert sich die Art der Informationsübertragung bei der Rückkehr der Flugbienen. Die räumliche Lage der Futterquelle wird viel präziser als nur über seinen groben Abstand angegeben. Das geschieht mitBienentanz dem Schwänzeltanz. Wie beim Rundtanz wird zunächst von den Vorkosterinnen entschieden, ob die heimgekehrte Biene ihren Fund anderen mitteilen soll. Ist dies der Fall, beginnt Letztere – meist etwa in der Stockmitte – mit ihren tänzerischen Bewegungen, um die Informationen zu verbreiten. Dieser folgende Tanz besteht aus dem Rundlauf sowie dem Schwänzellauf. Beim Schwänzellauf läuft die Biene zunächst unter heftigem seitlichem Vibrieren des Hinterleibs (Schwänzeln) wenige Zentimeter geradeaus. Anschließend kehrt sie beim Rundlauf in einem Bogen zum Ausgangspunkt des Schwänzellaufes zurück. Von dort beginnt der Schwänzellauf dann erneut, worauf wieder der Rundlauf folgt, nun jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Der Tanz enthält Informationen über die Entfernung der Futterquelle zum Stock sowie  die Richtung zur Quelle vom Stock aus gesehen. Die Entfernung wird anhand der für den Flug benötigten Energie sowie des während des Fluges erfahrenen optischen Flusses bestimmt. Der optische Fluss bezeichnet dabei die Häufigkeit der abrupten Änderungen des Erscheinungsbildes der Umgebung (z. B. Übergang zwischen Weide und Wald). Der Energieaufwand wird von den Bienen durch die während des Fluges resorbierte (verbrauchte) Nahrung mithilfe von Rezeptoren in der Honigblase gemessen. Aus diesen Werten wird von der Biene die Entfernung ermittelt und diese von ihr bei der Rückkehr in ein spezifisches Tanztempo übersetzt. Je mehr Umdrehungen das Tier pro Zeitspanne macht, desto näher liegt die Futterquelle. Bei zunehmender Entfernung vom Bienenstock zur Futterquelle schwänzeln die Bienen im Mittelstück des Tanzes heftiger und der Ablauf des Schwänzeltanzes dauert länger. Die Richtung zum Futterfundort wird immer relativ zum Sonnenstand angegeben. Dies funktioniert auch bei trübem Wetter, die Position der Sonne wird von den Bienen anhand der Polarisationsrichtung des Lichts am Himmel auch durch Wolken hindurch wahrgenommen. Normalerweise findet die Informationsübergabe im Dunkeln des Baus in der Vertikalen statt. Hierbei repräsentiert ein direkt nach oben gerichteter Schwänzellauf eine Quelle in Richtung der Sonne, eine Rotation des Laufes um einen Winkel α steht für eine Flugrichtung um α gegen den Sonnenstand. Wo genau im Stock oben ist, erkennen die Bienen anhand der Schwerkraft und des Erdmagnetfelds. Die Richtungsangaben der Tänze beziehen sich jedoch  immer auf die Horizontale.  Versperrt ein Hindernis wie z. B. ein Bergrücken den direkten Weg zu einer Futterquelle, geben die Bienen nicht etwa ihren geflogenen Weg an, sondern übermitteln die direkte Richtung zu diesem Ort. Die nachfolgenden Bienen überfliegen das Hindernis dann zunächst geradlinig. Sobald ihnen die Gegend bekannt ist, suchen sie selbst einen besseren oder einfacheren Weg. Der überwiegende Teil der Sammlerinnen sucht am angegebenen Ort. Abweichungen ergeben sich zum einen dadurch, dass jede Biene die ihr übergebenen Informationen individuell interpretiert und zum anderen durch äußere Faktoren. So kann sich z. B. schon vor dem angegebenen Ort eine andere lohnendere Futterquelle befinden. 

Bienen sind hochintelligente Tiere, mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten, die sich nicht nur das Erscheingungsbild von Blumen, sondern auch Fotografien von menschlichen Gesichtern merken können, Probleme durch Nachdenken statt durch Versuch und Irrtum lösen und einfache Formen des Werkzeuggebrauchs lernen können. Letzteres bewerkstelligen sie bisweilen sogar, indem sie beobachten, wie erfahrene Tiere mit solchen Gegenständen umgehen. Zudem können Sie zählen, einfache mathematische Probleme lösen (Addition und Subtraktion). Sie besitzen  ein komplexes Kommunikationssystem und haben ein leistungsfähiges Gedächtnis für die Navigation.