Die Mafia
Kriminelle Geheimbünde in Italien
Ursprünglich konnte nur die Cosa Nostra den Begriff Mafia für sich beanspruchen, zunehmend wurden weitere kriminelle italienische Organisationen, wie die neapolitanische Camorra, die kalabrische ’Ndrangheta, die sizilianische Stidda und die Apulische Sacra Corona Unita dem Mafiabegriff zugeordnet, der heute auch als Synonym des organisierten Verbrechens insgesamt benutzt wird. Der Begriff Mafia wird daher auch auf andere Verbrecherorganisationen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität angewandt, wie zum Beispiel die „japanische Mafia“ (Yakuza), die „chinesische Mafia“ (Triaden) oder die amerikanische Cosa Nostra. Die Mafia sizilianischen Ursprungs besteht aus sogenannten „Familien“, einem engen, streng hierarchisch gegliederten Gruppenverband aus Mitgliedern sizilianischer Herkunft – die einem Kodex folgen. Verstöße gegen den Kodex, insbesondere der Schweigepflicht (Omertà), wurden in der Vergangenheit in der Regel mit brutalen Mitteln (bis hin zu Mord) geahndet. Jede Mafiafamilie hat ein Oberhaupt, dem jedes Familienmitglied zu absolutem Gehorsam verpflichtet ist. Diesen Anführern kann wiederum ein Oberboss („capo dei capi“ bzw. Boss der Bosse) vorstehen, der uneingeschränkte Macht über alle Familien ausübt. Italien ist bis heute in vielen Gebieten fest den Händen der Mafia.
- Die Cosa Nostra entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf Sizilien. Sie gilt als bekanntester Zweig der italienischen Mafia. Viele der Familienclans arbeiten eigenständig, werden aber landesweit durch eine Kommission koordiniert, welche sich aus den Oberhäuptern der einflussreichsten Familien zusammensetzt. Die Familie ist die Basisorganisation der Cosa Nostra, die ein Territorium kontrolliert (eine Ortschaft, ein Gebiet von Ortschaften oder ein Stadtviertel). Die Größe der einzelnen Familien variiert stark. Es gab Familien von bis zu 200 Mitgliedern, aber auch Familien mit weniger als 10 Mitgliedern. Den einzelnen Familien steht jeweils ein Capo oder Boss vor. Die Cosa Nostra ist am stärksten in Westsizilien präsent. In Palermo, der Hauptstadt Siziliens, existiert in fast allen Stadtteilen eine Familie. Der Aufnahmeritus läuft immer in Gegenwart anderer Mitglieder ab. Der Novize wird in einen Finger oder Daumen gestochen, lässt das Blut auf ein Heiligenbild tropfen und leistet dann einen Eid auf die Familie und die Normen und Gesetze der Cosa Nostra. Anschließend wird das Heiligenbild verbrannt. Um sich überhaupt für die Mitgliedschaft zu qualifizieren, muss der Kandidat im Vorhinein eine Prüfung bestehen. Dies ist normalerweise ein schwerer krimineller Akt, z. B. ein Mord oder ein bewaffneter Raubüberfall. Die Mitgliedschaft ist ausschließlich Männern vorbehalten. Zwei Mitglieder dürfen sich untereinander nicht zu erkennen geben, es bedarf immer eines dritten Mitglieds, das beide kennt und sie mit den Worten als Cosa Nostra (unsere Sache) einander vorstellt. Diese übertriebene Form der Verschwiegenheit ist bereits ein Bestandteil des Ehrenkodex der Organisation, der sogenannten Omertà, die damit auch eine Schweigepflicht nach innen verlangt und nicht nur gegen außenstehende Personen. Die Hauptsitze der Cosa Nostra befinden sich auf Sizilien, mit Dependancen in Neapel, Rom, Bologna, Turin und Mailand. Die Cosa Nostra ist heute eine international operierende Verbrecherorganisation. Auf Sizilien verfügt sie praktisch über ein illegales Gewaltmonopol, wenngleich sich im südöstlichen Sizilien eine konkurrierende Gruppe, die Stidda, gebildet hat. Der nordamerikanischer Ableger der italienischen Cosa Nostra, die amerikanische Cosa Nostra, entstand um 1900. Bekannte Mitglieder waren Al Capone, Lucky Luciano und Frank Costello. Sowohl von der sizilianischen als auch der US-amerikanischen Cosa Nostra werden alle Arten illegaler Aktivitäten betrieben. Dazu zählen Drogenhandel, Glücksspiel, Schmuggel und Waffenhandel. Auf Sizilien ist die Schutzgelderpressung eine der Haupteinnahmequellen. Die Prostitution wird von der italienischen Cosa Nostra nicht betrieben, von der amerikanischen hingegen schon, die illegale Prostitution als wichtiges Geschäftsfeld betrachtet. Im Unterschied zur italienischen Cosa Nostra lehnen sie jedoch den Drogenhandel ab. Die Cosa Nostra unterhält traditionell enge Verbindungen zur Camorra und ’Ndrangheta. Zur jüngeren apulischen Mafia-Organisation, der Sacra Corona Unita, bestehen geschäftliche Verbindungen, die jedoch weniger eng sind. Seit den 1970er-Jahren ist die Cosa Nostra zunehmend auch in Deutschland präsent. Beispielsweise in Berlin, Hamburg, Mannheim, Nürnberg, Wuppertal und Köln sind Familien der Cosa Nostra aktiv. Meistens wird unter dem legalen Deckmantel des Restaurant- und Gaststättenbetriebs der Drogenhandel organisiert und Geld gewaschen. Innerhalb der Mafia Palermos brach 1962–1963 und 1969 der erste große Mafiakrieg aus. Die Tätigkeit der Palermoer Mafia kam durch den Krieg völlig zum Stillstand. 1977 traten auf Wunsch wichtiger Vertreter der sizilianischen Freimaurerlogen die einflussreichsten Familienoberhäupter der Cosa Nostra einer Geheimloge der Freimaurer bei. Pro Provinz wurden je zwei ranghohe Mafiosi in die Logen aufgenommen. Der Zweite Große Mafiakrieg auf Sizilien fand in den Jahren 1981–1983 statt. Er ging als ‚mattanza‘ (die ‚blutigen Ernten) in die Geschichte ein, und kostete mehr als 1.000 Menschen das Leben. Die Vorherrschaft errang das Bündnis der Corleones aus der Mafia-Hochburg Corleone. Das Bündnis der Corleoneser erlangte durch seinen vollständigen Sieg eine bislang unbekannte totale Hegemonie über die gesamte Organisation. Das Leben innerhalb der Cosa Nostra wurde neu reglementiert. Die Einhaltung der Omertà wurde verschärft ausgelegt. Den einzelnen Mitgliedern wurde es verboten, mit Mitgliedern aus anderen Familien Kontakt zu halten. 2018 verlagerte sich das Machtzentrum der sizilianischen Mafia von Corleone nach Jahrzehnten wieder zurück nach Palermo.
- Camorra nennt man organisierte kriminelle italienische Familienclans. Die Clans sind autonom und operieren vorwiegend von Neapel und der Region Kampanien aus in der gesamten Europäischen Union mit Drogenhandel, Waffenhandel, Produktpiraterie von Luxusgütern, illegaler Müllentsorgung und Schutzgelderpressung. Die ganze Region in und um Neapel wurde von der Camorra schon Mitte des 19. Jahrhunderts in zwölf Zonen eingeteilt, welche meist von mehreren Clans beherrscht werden. Aber die Camorra hat auch Dependancen in anderen italienischen Regionen wie der Lombardei, Piemont und der Emilia-Romagna. In den USA existierte die Camorra schon zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1914 und 1918 fand in New York City der sogenannte Mafia-Camorra-Krieg statt. Damit sind im Wesentlichen Kämpfe zwischen der neapolitanisch-stämmigen Camorra und der sizilianisch-stämmigen Mafia gemeint. Gegen 1919, nach mehrjährigen wechselseitigen Morden mit ständig wechselnden Koalitionen, verlor die Camorra schließlich aufgrund mehrerer Strafprozesse den Krieg. Sie musste sich schließlich der sizilianisch-stämmigen Mafia unterordnen. In Deutschland ist die Camorra seit den 1980er-Jahren verstärkt aktiv. Regionale Brennpunkte liegen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Bayern. Neben der Camorra aus Neapel und Kampanien, operieren in Deutschland mittlerweile mindestens vier andere Organisationen: Cosa Nostra aus Sizilien,die ‚Ndrangheta aus Kalabrien, sowie die apulischen Organisationen wie die Sacra Corona Unita und die Stidda, eine Abspaltung der Cosa Nostra aus Sizilien.
- Die Stidda ist eine kriminelle Organisation auf Sizilien. Gegründet wurde sie vermutlich Ende der 1970er/Anfang der 1980er-Jahre von ehemaligen Mitgliedern der Cosa Nostra, die sich abgespalten hatten. Sie ist deshalb der sizilianischen Cosa Nostra ähnlich, hat aber weniger Mitglieder. Der Name Stidda (sizilianisch für ‚Stern) steht für das Erkennungszeichen der Mitglieder. Die Stiddari tätowieren sich einen kleinen, fünfzackigen Stern zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Der Geheimbund ist ähnlich gewalttätig wie die Cosa Nostra, aber weniger hierarchisch aufgebaut. Sie sind netzwerkartig und horizontal strukturiert und ähneln insofern mehr der kalabrischen ’Ndrangheta. Die Stidda ist vor allem in den Freien Gemeindekonsortien Agrigent, Caltanissetta, Ragusa und Syrakus aktiv. In den Städten Agrigent, Camastra, Campobello di Licata, Canicattì, Licata, Favara, Palma di Montechiaro, Racalmuto und Vittoria konnten Aktivitäten der Organisation nachgewiesen werden.
- Die apulische Sacra Corona Unita gilt als die jüngste Mafia-Organisation in Italien. Die Sacra Corona Unita zählt 47 Clans und etwa 1500 Mitglieder. Ihr Machtzentrum befindet sich in der südostitalienischen Region Apulien, in den Provinzen Brindisi, Lecce und Bari. Die Sacra Corona Unita zählt 47 Clans und etwa 1500 Mitglieder. Sie besteht aus 47 Clans und hat etwa 1500 Mitglieder. Ihr Betätigungsfeld ist vor allem der Drogenhandel, die Schlepperei aus Albanien, die Zwangsprostitution und Erpressung. Dabei bedient sie sich althergebrachter primitiver Mafia-Methoden. Sie schießt und mordet, um ihre Belange durchzusetzen. Sie gilt inzwischen als gewalttätigstes Verbrechersyndikat des Landes. Auch ihr Aufnahmeritual besteht aus einem Blutschwur, der die Initianten zur absoluten Verschwiegenheit über alle Angelegenheiten der Organisation verpflichtet. Innerhalb der Sacra Corona Unita sind die Clans in der Provinz und gleichnamigen Stadt Foggia besonders berüchtigt. Die Provinz Foggia hat die dritthöchste Mordrate Italiens – fünf der 16 Morde im vergangenen Jahr gingen dort aufs Konto der Mafia. Die Sacra Corona Unita verfügt über gute Verbindungen zu den Drogenbossen Kolumbiens. Sie ist auch am Drogenhandel um die Adria erheblich beteiligt und arbeitet hierbei stark mit albanischen Banden zusammen. In den 1970er-Jahren wurden die ersten ’Ndrangheta-Zellen in Deutschland aufgebaut. Die meisten sind bis heute aktiv. Die Bundesregierung hat die Zahl in Deutschland zuletzt auf rund 1.000 ’Ndranghetisti geschätzt. Doch die Dunkelziffer ist wahrscheinlich größer.
- Die Casamonica ist ein italienischer Mafia-Clan, aus dem Südosten Roms. Außer in Rom ist der Clan auch im Bereich der Castelli Romani und der Küste in der Region Latium tätig. Der Casamonica-Clan wurde in den 1970er-Jahren von zwei Sinti-Familien, Di Silvio und Casamonica gegründet. Laut dem Direzione Investigativa Antimafia (DIA), dem nationalen italienischen Kriminalamt zur Bekämpfung der Mafia ist der Clan die mächtigste Organisation der organisierten Kriminalität in Latium.
- Die Ndrangheta ist die Vereinigung der kalabrischen Mafia. Seit Mitte der 1990er-Jahre gilt sie als mächtigste Mafia-Organisation der Welt. Die ’Ndrangheta hat Dependenzen in ganz Europa, Nord- und Südamerika sowie Russland und Australien. Die hauptsächlichen kriminellen Betätigungsfelder sind der Drogenhandel und die illegale Müllentsorgung, insbesondere von Giftmüll. Weitere Einnahmequellen sind Erpressungen und Entführungen und Rotlichtkriminalität (Glücksspiel, Menschenhandel, Prostitution, Waffenhandel). Diese Gewinne aus diesen Betätigungsfeldern machen die ‚Ndrangheta zu einer der reichsten Mafia der Welt. Die Haupttätigkeit ist der Drogenhandel, aus dem die größten Einnahmen erzielt werden, wobei Kokain der wichtigste Sektor ist. Beim Drogenhandel hat die ’Ndrangheta keine Konkurrenz: Sie arbeitet oft in enger Verbindung mit den südamerikanischen Kartellen, hauptsächlich auch mit der amerikanischen Cosa Nostra. Die Stärke der ’Ndrangheta liegt sowohl in ihrer ökonomischen Macht als auch in ihrem starken Einfluss auf die Politik. Die ‚Ndrangheta ist in allen zwanzig Regionen Italiens präsent. Als Hochburgen gelten aber in Kalabrien zwei Dörfer: Platì und San Luca. Hier befindet sich auch das für die Gipfeltreffen der Organisation bekannte Heiligtum der Madonna di Polsi. Hier werden Geschäfte ausgerichtet, Allianzen geschlossen, kriminelle Strategien diktiert und Streitigkeiten beigelegt werden. Neben ihrem Stammland Italien gibt es kriminelle Aktivitäten in Deutschland und der Schweiz, gefolgt von Spanien und Frankreich. Des Weiteren in Großbritannien, Bulgarien, Griechenland, Irland, Kroatien, Luxemburg, Malta, Polen, Portugal, Österreich, Rumänien, Russland, San Marino, Slowakei, Tschechien und der Ukraine. Europa ist damit der Kontinent mit der stärksten Präsenz der ‚Ndrangheta. In den 1960er-Jahren änderte ‚Ndrangheta allmählich ihr bisheriges Geschäftsmodell: Weniger Entführungen, dafür verstärkt Drogenhandel und Prostitution, Geldwäsche und Verwicklungen mit der Politik. Das Aufnahmeritual des Geheimbundes gleicht dem anderer Mafia-Organisationen. Die ‚Ndrangheta gliedert sich in sieben Dienstgrade auf:
- Medaglione oder Capo Provincia koordiniert die Locali, bewacht die Traditionen und löst interne Konflikte
- Contabile: verwaltet die Finanzen der ’Ndrina
- Capo Crimine: plant und koordiniert
- Capobastone: steht an der Spitze einer ’Ndrina und entscheidet über Leben und Tod eines Mitglieds
- Camorrista di Sgarro und Camorrista di sangue: der Soldat, auch: Picciotto: der Exekutor – Schütze
- ’Ndrinu ist ein einfaches Mitglied. Im Volksmund auch ’Ndranghetisti genannt.
- Fiore: der Anwärter bzw. Neuling