Chimären

Der Begriff Chimären stammt aus der griechischen Mythologie.

KerberosDamit bezeichnet wurden sogenannte Mischwesen, z. B. die Hydra (vielköpfiges Ungeheuer, dem, wenn es einen Kopf verlor, zwei neue wuchsen), die Sphinx (geflügelter Löwe mit dem Kopf einer Frau) und Orthos (Hund mit zwei Köpfen und der Cerberos (mehrköpfiger Höllenhund, der den Eingang zur Unterwelt bewacht). Die Sage berichtet, dass dem Cerberos, als ihn Herakles – wie es eine der ihm von Eurystheus gestellten Aufgaben war, gewürgt, gefesselt und zur Oberwelt verschleppt hatte, der Speichel aus dem Maul troff und davon die todbringend giftige Blume Akóniton aus dem Boden spross, hierzulande bekannt als Eisenhut. Die Kentauren waren Mischwesen mit dem Oberkörper eines Menschen und dem Körper eines Pferdes, oder die Meerjungfrauen, Fabelwesen mit dem Oberkörper einer Frau und dem Unterkörper eines Fisches. Die Sirenen wiederum waren Fabelwesen mit betörenden Stimmen, die Seefahrer in den Tod lockten. Ihr Gesang war so unwiderstehlich, dass niemand, der ihn hörte, widerstehen konnte. Medusa, einst eine schöne Frau, wurde von der Göttin Athene in ein Ungeheuer mit Schlangenhaaren verwandelt. Jeder, der ihr in die Augen sah, erstarrte zu Stein. Theseus und der  MinotaurusDer Minotaurus ein Mischwesen mit dem Körper eines Mannes und dem Kopf eines Stiers, lebte im Labyrinth, ein komplexer Irrgarten, der von Daedalus, ein griechischer Architekt, Handwerker und Erfinder,  für König Minos auf Kreta entworfen wurde. Athen hatte den Krieg gegen Kreta verloren und als Tributzahlungen mussten sieben junge Männer sowie sieben Jungfrauen geschickt werden, als Opfer für den Minotaurus. Theseus, der Sohn des Königs von Athen, meldete sich als einer aus der Gruppe, mit der Absicht, den Minotaurus zu töten und Athen von der Herrschaft Kreta’s zu befreien. König Minos Tochter Ariadne gab Theseus einen Ball mit Faden (den Ariadnefaden) Mit Hilfe des Fadens fand Theseus den Weg durch das Labyrinth in dem sich der Minotauros befand. Nachdem Theseus den Minotauros getötet hatte, konnte er entlang des Fadens das Labyrinth wieder verlassen, verlies Kreta und nahm Ariadne mit. Die Hydra, ein schreckliches Monster mit vielen Köpfen, lauerte in den Sümpfen von Lerna. Jeder abgeschlagene Kopf wuchs doppelt nach, was sie nahezu unbesiegbar machte. Erst Herakles, der größte Held der griechischen Mythologie gelang es die Hydra zu töten, indem er die Hälse der abgeschlagenen Köpfe verbrannte, um das Nachwachsen zu verhindern.

Hydra      Nemeische Löwe    

In der Biologie bezeichnet man als Chimäre einen Organismus, der aus Zellen besteht, die von zwei oder mehr unterschiedlichen Embryonen abstammen und trotzdem ein Individuum bilden. Chimären können natürlicherweise entstehen, wie zum Beispiel Blutchimären bei eineiigen Zwillingen, oder künstlich im Labor generiert werden. Die Chimären-Forschung zielt zum einen darauf, biologische und entwicklungsgeschichtliche Fragen zu Verwandtschaftsbeziehungen zwischen (Tier-)Arten auf molekularer, zellulärer und entwicklungsbiologischer Ebene zu beantworten. Zum anderen hat sie auch ganz praktische Ziele: Mischwesen, in denen menschliche Organe für Transplantationen heranreifen können, Nieren zum Beispiel oder Bauchspeicheldrüsen, oder um an ihnen neue Therapieverfahren zu testen.

Der spanische Stammzellforscher Juan Carlos Izpisua Belmonte und ein Team von Wissenschaftlern am Salk Institute for Biological Studies in La Jolla (Kalifornien) haben Embryonen aus Zellen von Mensch und Affe erzeugt. Schon 2017 hatten US-Forscher eine Chimäre aus Mensch und Schwein gezüchtet. Dabei waren nur sehr wenige menschliche Zellen in das Gewebe der Schweine integriert, vermutlich aufgrund der großen evolutionären Distanz zwischen den beiden Arten. Die Forscher spritzten jeweils 25 extrem wandlungsfähige menschliche Stammzellen (sogenannte erweiterte pluripotente Stammzellen, hEPSC) in sechs Tage alte Embryonen von Javaner-Affen. Für kurze Zeit entstanden sogenannte Chimären, das sind im biologischen und medizinischen Sinne Organismen, die aus Zellen oder Geweben unterschiedlicher Individuen bestehen und geschlossene und lebensfähige Lebewesen erst noch bilden. Chimären aus verschiedenen Arten soll es eigentlich nicht geben. In der Natur gibt es außer der erfolgreichen Liebe zwischen Eseln und Pferden kaum Beispiele dafür. Doch zurück zu Belmontes Experiment.  In der Kulturschale fügten sich die menschlichen Zellen tatsächlich in die Affenembryonen ein. Es entstanden 132 Affe-Mensch-Chimären, von denen nach zehn Tagen noch 103 lebten und am Ende der Studie – am Tag 19 nach der Befruchtung immerhin noch drei. Daraus ergibt sich die Vermutung: Würden, die befruchteten Embryone einer menschlichen oder tierischen Leihmutter eingepflanzt, könnten sie sich womöglich zu einem eigenständigen Lebewesen entwickeln. Bereits vor rund 100 Jahren versucht der Russe Ilya Iwanow, in Afrika Schimpansenweibchen mit menschlichem Sperma zu befruchten. Die ersten Versuche von Iwanow in Afrika schlagen fehl. Dann jedoch gelang es ihm tatsächlich, menschliches Sperma in drei Schimpansenweibchen einzuführen. Trächtig bzw. schwanger wurde keines der Weibchen. Heute besteht die Möglichkeit zur Herstellung neuer Spezies. Im Fokus steht dabei insbesondere die Technik der Chimärenfabrikation. Unmittelbares Ziel ist die Schaffung eines Nachschubs von Stammzellen, die sich für Zwecke der Forschung und zur Therapie für bisher unheilbare Krankheiten verwenden lassen. 2018 erhielten 2 neuartige Krebstherapien auf Basis chimärer Antigenrezeptoren (CARs) die Marktzulassung in der Europäischen Union. Chimäre Antigen-Rezeptoren sind gentechnisch hergestellte T-Zell-Rezeptoren, welche die Grundlage der CAR-T-Zell-Therapie, einer neuartigen Krebsimmuntherapie, bei der gentechnologisch veränderte T-Zellen (sogenannte CAR-T-Zellen) mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren zur Anwendung kommen.

Architektur eines chimären Antigenrezeptors (CAR)

Die Antigenbindedomäne, hier ein Einzelkettenantikörperfragment, bindet Epitope nativer Strukturen auf der Oberfläche der Zielzelle. Bei Antigenbindung lösen die intrazellulären (ko)stimulatorischen Domänen ein Aktivierungssignal in der CAR-Immunzelle aus, welches zur Zerstörung der Zielzellen führt. b Herstellung eines autologen CAR-Zellprodukts. Aus einer Patientenblutspende werden T  oder NK-Zellen isoliert und ex vivo kultiviert. Durch Transduktion mit z. B. lentiviralen Vektoren wird ein für den CAR codierendes Gen ins Erbmaterial der Zellen integriert. So generierte CAR-Zellen werden dann weiter vermehrt, bevor sie, folgend auf eine lymphodepletierende Vorbehandlung, in den Patienten reinfundiert werden. Für die Herstellung eines allogenen CAR-Zellprodukts werden die T  oder NK-Zellen aus Fremdblutspenden gewonnen.